Achtsam essen: Mit 7 Tipps zum bewussten Genuss

Das Internet quillt über von Ideen zur Achtsamkeit, zur Ernährung und zur Fitness – mit diesen 7 Tipps soll achtsam essen im Alltag aber ganz leicht für dich werden.

Mitten im Workflow streifen meine Augen die Armbanduhr: Zwölf ist schon durch! Der Blick in den Kühlschrank offenbart Frischkäse, Gurke und Hummus – das alles klatsch ich schnell auf zwei oder drei Scheiben Vollkornbrot. Mittagspause geht gerade nicht, der Beitrag muss fertig werden und mein Nachmittag gehört der Uni-Bibliothek. Brote kann man eben am Rechner verschlingen – und ungesund sind die ja nicht.

Kennst du solche Gedankengänge? Dann bist du hier goldrichtig. Was mir bis vor Kurzem kaum bewusst war: Es kommt nicht nur darauf an, WAS wir essen, sondern WIE! Beschäftigen wir uns ein wenig mit dem Konzept „Achtsam essen“.

Achtsamkeit im Alltag: Viel mehr als ein modisches Schlagwort

Das Wort „Meditation“ verband ich viele Jahre lang entweder mit esoterischen Spinnereien oder dubiosen Erfolgs-Coachs, die den einzigen Sinn des Lebens im Scheffeln von möglichst viel Geld sehen. Oder eine Instagram-Modeerscheinung, die mir subtil eine Yoga-Matte oder ein paar Ratgeber andrehen will. Als mir aber Lockdowns, Online-Studium und das daraus resultierende Alleinsein über den Kopf wuchsen, entdeckte ich die Methode der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion. Diese ist wissenschaftlich anerkannt, deswegen konnte ich sowohl über meine Hochschule als auch über die Krankenkasse Kurse beziehen, die mir halfen, mit der Situation klarzukommen – und zwar durch Achtsamkeit und doch auch Meditationen.

Der Begriff Achtsamkeit erscheint mir viel greifbarer und alltäglicher – eine eigene Definition dafür zu finden ist dennoch nicht leicht. Versuche ich ihn mir vor dem inneren Auge zu veranschaulichen, spüre ich das:

Erdgeruch. Stein unterm Schuh. Regen trifft Nasenspitze. Stille im Kopf. Nur jetzt.

Am Ende ist Achtsamkeit für mich die Fähigkeit, den Moment bewusst mit allen fünf Sinnen wahrzunehmen, ohne zu verurteilen, zu bewerten oder ans Gestern oder Morgen zu denken. Der pure Genuss eigentlich. Das gilt auch fürs achtsam essen.

Achtsam essen: Die Frau nimmt den Apfel mit allen Sinnen wahr während sie am Fenster steht
Nimm mal ganz bewusst wahr, was du gerade isst. © simona / stock.adobe.com

Achtsam essen: Was heißt das eigentlich?

In meinem schlauen Spruchkalender auf der Mikrowelle steht:

„Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zur Meditation. Außer wenn du zu viel zu tun hast, dann nimm dir eine Stunde Zeit“.

Meditation gehört mittlerweile zu meiner Abendroutine, und bis auf wenige Ausnahmen ziehe ich diese durch. Achtsam essen geht aber ohne tief ins Thema Meditation einzusteigen. Der Spruch fiel mir gerade darum ein, weil das Essen bei mir in der Regel nebenbei geschieht und ich mir dafür gar keine Zeit nehme, weil ich immer zu viel zu tun haben glaube.

Beim Achtsam essen sollen wir lernen, auf unser natürliches Sättigungsgefühl zu hören. Spätestens im Erwachsenenalter ist dieses den meisten von uns völlig abhandengekommen.

„Iss deinen Teller leer, dann gibt es morgen gutes Wetter“. Diesen Satz kennen wohl alle aus ihrer Kindheit. Und obwohl, oder gerade weil es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler aus dem Plattdeutschen handelt („…gifft dat morgen goodes wedder“ heißt „…gibt es morgen wieder etwas Gutes“), sollten mir uns nicht sklavisch daran halt. Anders als in früheren Zeiten herrscht kein Lebensmittelmangel – im Gegenteil. Die Auswahl im Supermarkt erregt eher Schwindel. Dazu gesellt sich eine ständige Überflutung mit leckerem Essen durch Werbung, Videos und #instafood.

Statt auf unseren Körper zu hören und das zu essen, was wir gerade brauchen, essen wir, was die Kollegen essen, was das neueste Trendfood ist oder was als „gesund“ gilt. Wer sich einer Diät unterwirft, landet schnell in einem Kontrollwahn, der den inneren Leistungsdruck erhöht. Wenn dann auf einmal essentielle Nährstoffe fehlen, weil ich nur Rohkost und Vollkornbrot gegessen habe, äußert sich das häufig in Energielosigkeit.

Wollen wir nun achtsam essen, versuchen wir unser eigenes Essverhalten bewusst wahrzunehmen. Warum essen wir gerade? Was signalisiert uns der Körper während des Kauens? Sind wir vielleicht schon satt? Welche Gefühle und Gedanken löst dieses Essen in mir aus? Im Gegensatz zum unbewussten Schlingen oder dem strengen Regiment einer Diät versuchen wir zu erkennen, was unser Körper benötigt. Aus diesen Analysen heraus essen wir weder zu viel noch zu wenig – so kann achtsam essen auch beim Erreichen und Halten deines Wohlfühlgewichts helfen. Positive Effekte sind außerdem ein klarer Kopf, verminderter Heißhunger und eine veränderte Wertschätzung: für den eigenen Körper und die Nahrungsmittel, über die wir verfügen.

Achtsam essen: ein Mann ist einen Salat
Reichhaltige, gesunde Mahlzeiten bleiben natürlich auch beim achtsamen Essen wichtig. © mavoimages / stock.adobe.com

Achtsam essen: Die sieben Hungerarten nach Jan Chozen Bays

Bei der Frage nach dem Warum hilft ein Blick auf die Hungerarten, die die amerikanische Ärztin Jan Chozen Bays definiert hat.

  1. Beim Tippen merkst du, wie dein Magen knurrt, er macht sich akustisch bemerkbar. Das Frühstück ist schon viele Stunden her und dein Körper fordert Nachschub, um vernünftig arbeiten zu können. Das ist der eigentliche Hunger, wenn der Körper Nährstoffe braucht. Wir nennen ihn den Magenhunger.
  2. Du stehst am Bahnhof und siehst große Werbeplakate für einen neuen Schokoriegel. Was Süßes wäre jetzt genau das Richtige und der Zug fährt erst in zwanzig Minuten? Dann ab zum Kiosk und eine Packung von der neuen Leckerei kaufen! Da war der Augenhunger am Werk.
  3. Vielleicht suchst du stattdessen gerade nach dem richtigen Gleis, als dir aus der Selbstbedienungsbäckerei auf einmal der Geruch nach frischen Pizzataschen entgegenweht. Wer kann da denn widerstehen? Der Nasenhunger hat gewonnen.
  4. Du hast Appetit auf zartschmelzende Schokolade, ein kühles Eis oder knusprige Snacks? Sehnsucht nach Lebensmitteln mit besonderem Mundgefühl nennt man Mundhunger – dieser ist oft ein Zeichen für Durst.
  5. Skyr zum Frühstück, Brot zu Mittag und Eintopf als Abendessen – besonders viel Abwechslung kennt mein Speiseplan nicht. Die Lust auf neue Speisen heißt Geisthunger.
  6. Allzu oft essen wir aus Frust, Stress oder Kummer, dann am liebsten etwas richtig Süßes, Fettes oder Salziges. Diesen emotional bedingten Appetit bezeichnet Bays als Herzhunger.
  7. Beim Zellhunger haben wir plötzlich Bedürfnis nach einem bestimmten Nahrungsmittel. Dieses Phänomen zeigt einen akuten Nährstoffbedarf an.

Wenn du dich selbst hinterfragst, merkst du bestimmt schnell, warum du gerade eigentlich isst – auch wenn du Übergange fließend sind und der Genuss nie zu kurz kommen darf!

Achtsam essen: 7 Tipps für deinen Alltag

Das Essverhalten von jedem einzelnen Menschen ist unheimlich individuell. Deswegen ist es, genauso wie beim Meditieren, beim achtsam essen wichtig, gut in dich hineinzuhören. Versuch doch mal, diese Tipps in deinen Alltag zu integrieren:

1. Iss in einer schönen Umgebung.

Setze dich an den Tisch, räume potentielles Gerümpel in der Umgebung weg, sorg dafür, dass du dich beim Essen richtig wohlfühlst. Romantisch veranlagt? Dann entzünde ruhig eine Kerze und komm im Moment an.

2. Koch frisch – und selber.

Zum Essen, das wir selbst zubereitet haben, haben wir einen ganz anderen Zugang – und den besseren Überblick über die Zutaten. Wenn wir uns schon für die Vorbereitung Zeit genommen haben, fällt auch der nächste Tipp leicht. Inspiration findest du bei unseren Rezepten.

3. Nimm dir Zeit.

Den Prozess des Essens sollten wir richtig genießen, wenn nicht zelebrieren. Schling es nicht herunter, sondern kau jeden Bissen vernünftig. Verwende alle Sinne: Wie riecht deine Mahlzeit, wie sieht sie aus? Wie ist das Mundgefühl, wie schmecken die einzelnen Zutaten? Wie anders schmecken sie in Kombination?

4. Bleib bei der Sache.

Eine ungünstige Angewohnheit von mir ist es, mich konstant von meinen Lieblingsserien berieseln zu lassen, auch beim Essen. Versuch mal, alle Ablenkungen zu vermeiden: Kein Instagram-Scrollen, keine Netflix-Serie, kein Podcast, kein Radio, keine Zeitschrift, kein Gespräch mit anderen. Der Fokus soll nur auf deiner Wahrnehmung der Mahlzeit liegen.

5. Sag bewusst Stopp.

Leg dein Besteck zwischendurch mal weg und horch in dich hinein: Hast du noch Hunger oder bist du vielleicht doch schon satt? Wenn du keinen Hunger mehr verspürst, dann quetsch den Rest nicht mehr in dich hinein, sondern hebe ihn für später auf.

6. Führe ein Ernährungstagebuch.

Klingt erstmal stark nach Diät und Kontrolle? Hierbei geht es aber keineswegs ums Kalorienzählen. Schreib dir vielmehr auf, nach welcher Menge und welchen Nahrungsmitteln dein natürliches Sättigungsgefühl eingesetzt hat. Warum isst du gerade und wann bekommst du wieder Hunger? Welche Gedanken und Gefühle kamen dir beim Essen? Welche danach? So kannst du Gewohnheiten erkennen und diese, wenn gewünscht, nach und nach abändern. Das lässt sich auch gut mit einem Dankbarkeitstagebuch kombinieren.

7. Sei lieb zu dir selbst.

Ein zentrales Element der Achtsamkeit ist das Selbst-Mitgefühl. Zwing dich nicht aufzuessen, sei freundlich zu dir selbst, wenn du doch mal aus Frust isst und verbiete dir nichts! Vielleicht brauchst du den Schokoriegel oder das fettige Schnitzel eben gerade jetzt.

Achtsam essen: Eine Tüte Pommes widerspricht dem Konzept nicht
Auch eine kleine „Sünde“ dürfen wir uns natürlich mal erlauben – genieß ruhig deine Pommes. © David Tran / stock.adobe.com

Beim Geschäftsessen oder beim Grillabend im Freundeskreis kannst du die Tipps vielleicht nicht so gut umsetzen. Aber das ist auch ganz in Ordnung – hier geht es nicht um Perfektion! Schon ein kurzer Moment der Besinnung auf dich selbst hilft aber. Schalt die Umgebung kurz ab und konzentrier dich: Wie fühlst du dich gerade?

Achtsamkeit in der Gesellschaft und in meiner Wahrnehmung: eine kurze Wutrede

Ich bin beim besten Willen kein Achtsamkeitsprofi und vielleicht ist das nur ein sehr subjektiver Eindruck: Trotzdem überkommt mich manchmal das Gefühl, dass Meditation und Achtsamkeit uns bisweilen als Methoden verkauft werden, um das letzte bisschen Leistungsfähigkeit aus uns heraus zu kitzeln. Genau diese Impression hat mich lange von einer Praktik ferngehalten, die mir wirklich guttut.

Für mich geht es gerade nicht um Selbstoptimierung, sondern darum, den Autopiloten, der uns durch den Alltag treibt, auszuschalten und auf die inneren Bedürfnisse unseres Körpers und unserer Seele zu hören. Die schreien viel öfter nach einer Pause, als du vielleicht denkst.

Im Alltag bin ich noch weit davon entfernt, wirklich tiefe Gelassenheit zu verinnerlichen. Umso aufgebrachter macht mich daher die Flüssignahrung, für die ich seit kurzem viel Werbung sehe: Keine Zeit zu essen? Dann trink doch deine Mahlzeit einfach und halte das Hamsterrad nicht mal mehr für Essen an. Muss das wirklich sein?

Ich hatte gehofft, die Zeiten von „höher, schneller, weiter“ sind vorbei. Jetzt mache ich erstmal einen Digital Detox – begleitest du mich?