Plädoyer für den Winterschlaf

Wie gut es tut, sich einfach mal einzumummeln und fallen zu lassen: Diese Erfahrung hat Innovationscoach und Bloggerin Vanessa Giese („Draußen nur Kännchen“) gemacht – und teilt sie mit wOnne.

von Vanessa Giese

Das Murmeltier ist ein possierliches Tier. Kleiner Kopf, große Augen, ein Blick wie ein mäßig schlauer Dackel. Von den Fettreserven, die es im Sommer speichert, lebt es, während es Winterschlaf hält. Ein Murmeltier kann lange schlafen, sechs, sieben, ja bis zu neun Monate. Zwei Atemzüge macht es dann pro Minute, nur 20-mal schlägt das Herz in der Zeit. Als ich erstmals über Murmeltiere las, fühlte ich ihr Leben. Auch ich habe Erfahrung mit Winterschlaf – aber anders als das Murmeltier. Zwar habe auch ich Fett gespeichert, nicht zu knapp, aber das Konzept, das ich verfolge, ist ein anderes. Dazu muss ich kurz ausholen. Nur wenige Zeilen, bitte noch ein bisschen durchhalten.

Ein Murmeltier sitzt im Schnee auf einem umgefallenen Baum.
Auch Murmeltiere legen sich über den Winter zur Ruhe. © Melani Wright / Adobe Stock

Vor fünf Jahren habe ich mich selbstständig gemacht. Es gab verschiedene Gründe. Einer war: Ich wollte mehr Freiheit. Mir meine Lebenszeit anders einteilen. Selbst über Arbeit und Freizeit bestimmen. Allein die Option zu haben, sechs Wochen Pause machen zu können – wie damals in den großen Ferien! – war elektrisierend.

Inzwischen habe ich zweimal Pause gemacht und Winterschlaf gehalten. Beim ersten Mal schenkte ich mir den Monat März, meinen Geburtstagsmonat, und reiste durch Italien. Nur kleine Dörfer, die großen Städte ließ ich links liegen. Beim zweiten Mal flog ich im Januar auf die Kanareninsel La Gomera und wohnte vier Wochen in einem kleinen Haus in den Bergen.

Beide Male erlebte ich das Gleiche. Zunächst schlief ich viel. In der ersten Woche ging ich früh ins Bett, wachte spät auf und brachte auch über den Tag wenig zustande. Ich war erschöpft, erfüllt von einer tiefen Müdigkeit. In der zweiten Woche wurde es besser. Ich unternahm etwas. In der dritten Woche begann der Zauber. Mein Tag-Nacht-Rhythmus passte sich der Sonne an. Ich wurde müde, wenn sie unterging, und erwachte, wenn sie aufging: auf der Italienreise um 6.30 Uhr, auf La Gomera um 7.45 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich wacher denn je. Plötzlich fühlte ich Energie. Ich wollte erkunden, hatte Ideen, fühlte Kraft und Stärke.

Der Winter ist eine Jahreszeit des Abschieds, des Stillstands und gleichzeitig des Aufbruchs. Das Alte ist vergangen, das Jahr ist vorbei, die Blumen sind verwelkt, die Felder sind abgeerntet. Es ist dunkel und kalt, die Natur steht still. Wir warten auf Licht und Wärme, auf Schneeglöckchen und Krokusse, auf den Aufbruch. Eine wunderbare Zeit, das Leben zu verlangsamen, damit wir es danach wieder mit voller Kraft beschleunigen können.