Der Mond im Dezember: Julmond, Thomasnacht und Mondholz

Die kurzen Tage und langen Nächte im Dezember haben nicht nur auf uns Menschen eine Wirkung, sondern auch – oder vor allem – auf die Natur. Und da besonders auf die Bäume. Denn sie sind es, die den winterlichen Voll- und Neumondnächten in vollem Umfang ausgesetzt sind. Wen wundert‘s da noch, dass sich die meisten Mond-Regeln ausgerechnet in der Waldbranche erhalten haben?

Unter den Schuhen knirscht das Gras, vom Raureif in der klaren Mondnacht hart gefroren. Erst am Waldrand wird der Boden wieder weicher, das Laub federnd. Zwischen den Bäumen drinnen herrscht milderes Klima. Das ist immer so: im Sommer angenehm kühl, im Winter gern mal ein paar Grad wärmer als auf den freien Wiesenflächen. Aber eins fehlt hier im Wald, wonach wir Menschen uns gerade im Winter so sehr sehnen: die Sonne!

Bei meiner winterlichen Wanderung habe ich heute ein wenig davon zu spüren bekommen, was die Weihnachtszeit – die Zeit, die der Nacht geweiht ist – für die Menschen früher bedeutet haben muss. Nicht nur für unsere Ur-Urgroßeltern, die noch ohne künstliches Licht und warme Heizkörper wohnten. Sondern noch früher, als das Land fast komplett von Wäldern bedeckt war. Damals war der Wald kein Ort zum gemütlichen Spazieren. Überall herrschte Dickicht. Gestrüpp, das einem die Beine und das Gesicht zerkratzte. Fast undurchdringlich für einzelne Sonnenstrahlen, gerade im Winter, wenn die Sonne am tiefsten über den Horizont wandert. Um sie zu sehen, musste man bis auf die felsigen Gipfel steigen.

Der Mond im Dezember kann die Sonne nicht ersetzen

Die Grablichter zu Allerheiligen, der Laternen-Umzug zu St. Martin, die vier Kerzen auf dem Adventskranz, das Feuer zur Wintersonnwende, der Christbaum, das Räuchern während der Rauhnächte, das Silvester-Feuerwerk … Ist es euch auch schon aufgefallen? Zu keiner anderen Jahreszeit gibt es so viele Bräuche, die mit Feuer zu tun haben. Erst als die Menschen das Feuermachen gelernt hatten, konnten sie ein wenig Licht und Wärme ins Dunkel des Winters bringen.

Ja, auch das Licht gehört zum Überlebensnotwendigen. Selbst in unserer heutigen Zeit, wo es für alles Natürliche einen künstlichen Ersatz zu geben scheint, bekommen manche mangels Sonnenlicht den November-Blues, der sich bis in den Februar ziehen kann. Andere leiden körperlich unter Vitamin D-Mangel. Dabei sind wir nicht mal Geschöpfe, die ihre Nährstoffe direkt aus dem Sonnenlicht ziehen! So wie die Pflanzen, die ihre Energie mittels Photosynthese produzieren. Was sie dazu brauchen, ist lediglich Wasser, Luft und … Licht. Selbst die ältesten Baumriesen brauchen kaum Feststoffe, während sie bis in schwindlige Höhen wachsen – sonst müssten sie ja alle in riesigen Senken oder gar Löchern stehen.

Wenn das Licht spärlicher und die Nächte länger werden, pausieren die Pflanzen, werfen allen oberirdischen Ballast ab oder sterben sogar ganz. Rückzug, Reduktion, Tod: das gehört dazu, wenn man inmitten einer zyklischen Natur überleben will.

Mond im Dezember
Der Mond leuchtet im Dezember den Weg. © Dagmar Steigenberger

Bäume pulsieren mit dem Mond

Besonders von den Bäumen können wir sehr viel lernen, findet Ernst Zürcher. Der Holzwissenschaftler von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich meint damit nicht nur das stoische Werden und Vergehen dieser Riesen im Jahreslauf. Oder die besondere Art und Weise, wie Bäume über ihr Wurzelwerk miteinander kommunizieren und einander mit Nährstoffen unterstützen. Zürcher hat herausgefunden, dass die Bäume sich am Mond orientieren. Ihre Stammumfänge schrumpfen und dehnen sich zweimal täglich aus, im Rhythmus der Gezeiten. Noch deutlicher schwankt der Stammdurchmesser im Monatsrhythmus der Mondphasen: Am stärksten ist er rund um Vollmond, während er zum Neumond hin wieder schrumpft. Als hätten die Bäume einen Pulsschlag, als würden sie atmen … im Takt des Mondes. Dieser Takt, findet Zürcher, wäre durchaus etwas, auf das zu hören auch uns Menschen gut täte.

Mondholz: gefällt zwischen Thomasnacht und Steinbock-Neumond

Dass Bäume auf den Mond reagieren, davon gingen die Menschen früher ganz selbstverständlich aus. Vielleicht, weil sie diejenigen Pflanzen sind, die den langen Winternächten – mal stockfinster und mal mit grellem Vollmond – am unmittelbarsten ausgesetzt sind. Für traditionsbewusste Holzfäller im Alpenraum ist deshalb der Steinbock das „g‘rechte Zoacha“, das günstigste Tierkreiszeichen zum Schlägern von Bauholz. Zum kürzesten Tag im Jahr tritt die Sonne in dieses Zeichen. Die längste, dunkelste Nacht im Jahr, die Neumondnacht mit dem Mond im selben Zeichen, folgt wenige Tage bis Wochen darauf. Dann haben die Bäume den meisten Saft aus dem Stamm zurück ins Wurzelwerk gezogen: Das Holz trocknet schneller, gilt als weniger anfällig für Brände und Schädlinge, witterungsbeständiger und verwindet sich außerdem weniger nach dem Fällen. Die Thomasnacht, die Wintersonnwende am 21. Dezember, gibt den Startschuss zum Bäume Schlägern nach alter Tradition, das bis zum darauffolgenden Neumond dauert. Noch heute wird das Nadelholz, das um diese Zeit gewonnen wird, als Mondholz angepriesen.

Advent: Der Mondphasenzyklus vor Weihnachten

Überhaupt spielt der Mond zur Weihnachtszeit eine gewichtige Rolle; nicht nur bei den Bäumen, auch nicht nur oben am Himmel, wo der Vollmond seine höchste Bahn im ganzen Jahr zieht und damit mehr als 16 Stunden lang die Nacht erleuchtet. Die Rauhnächte gehen ebenfalls auf den Mond zurück: Elf Tage und zwölf Nächte fehlen dem Mondjahr mit seinen zwölf Mondphasen-Zyklen zum Sonnenjahr. Der verflixte dreizehnte Zyklus wollte sich einfach nicht mehr einfügen; und so wurde die 13 für die einen zur Glücks-, für die anderen zur Unglückszahl. Hin- und hergerissen zwischen den Jahreszyklen der beiden wichtigsten Gestirne, lösten die Kelten ihr Dilemma einfach, indem ihr Jahr mal zwölf, mal 13 Monde bzw. Monate hatte.

Ach ja, noch etwas: Warum dauert der Advent eigentlich ausgerechnet vier Wochen? Genau, das entspricht der Länge eines Mondphasenzyklus! Wer weiß, vielleicht zündeten die Kelten vor ihrem Julfest nicht jeden Sonntag, sondern zu jedem Mondviertel ein weiteres Licht an …

TIPPS zum Christbaumkauf

Drei Tage vor dem elften Vollmond im Jahr solle man den Baum schneiden, dann halte er mitsamt Nadeln bis zum Ende der Weihnachtszeit Anfang Februar durch: so lautet eine alte Mondregel zum Christbaumschnitt. Wer diesen Zeitpunkt verpasst hat – aktuell wäre das nämlich schon der 16. November 2021 gewesen –, kann es kurz vor dem Vollmond am 19. Dezember noch einmal probieren. Denn die zweite Regel lautet: Schneide den Christbaum bei zunehmendem Mond möglichst nah an Vollmond! Eine dritte Regel nennt sogar noch die Tage, wenn der Mond im Krebs steht, als geeignet. Das wäre im Dezember also generell kurz nach Vollmond; dieses Jahr sogar passend zur Wintersonnwende und zur Thomasnacht.

TIPPS zum Beobachten vom Mond im Dezember

Auch wenn er wie die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht: Eigentlich wandert der Mond von Westen nach Osten um die Erde. Doch die dreht sich unter ihm sehr viel schneller weg, als der Mond unterwegs ist. Und so erscheint es uns, als ob der Mond von Osten nach Westen wandern würde. Wenn man sich einen langsamer laufenden Planeten wie die Venus am Abendhimmel merkt und dann – eine Nacht lang oder auch über mehrere Abende hinweg – den Abstand zwischen Venus und zunehmender Mondsichel beobachtet, kann man die eigentliche Bewegungsrichtung des Mondes feststellen.

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