Bienen in der Stadt: Interview zu Wild- und Honigbienen mit Boris Bücheler von bienen&natur

Etliche Menschen wollen Bienen unterstützen oder am besten gleich eigene halten. Wie es den Bienen in der Stadt geht, erzählt uns Boris von bienen&natur im Interview.

Die Sonne scheint warm auf deine Haut, irgendwo zwitschert ein Vogel. Der Tee schmeckt aus frischen Kräutern gebrüht noch viel besser. In der Luft liegt der Duft von gemähtem Gras und in den Balkonkästen um dich herum blühen Blumen in allen Farben. Du kannst es mit allen Sinnen wahrnehmen: Der Frühling ist wieder da.

Als du die orangen und gelben Ringelblumen ein bisschen genauer betrachtest, siehst du einige Bienen fleißig Nektar sammeln. Geht denn imkern auch in der Stadt? Und wie wohl fühlen sich die Bienen dabei?

Bienen in der Stadt: Warum Insekten für uns Menschen so wichtig sind

Bienen liefern uns nicht nur Honig als Brotaufstrich und Süßungsmittel. Ohne Bienen wäre unser Ökosystem schwer in Gefahr: Im Frühling blühen nicht nur unsere Balkonpflanzen, sondern auch die Kirsch- und Apfelbäume, die Birne, die Zwetschgen und etliche andere Pflanzen, die für die Menschheit eine wichtige Ernährungsgrundlage bilden und ohne Bienen oder andere Insekten nicht bestäubt werden und damit auch keine Früchte tragen.

Bienen bestäuben auch andere Kulturpflanzen wie den Raps – den brauchen wir nicht nur für Öl und Senf, sondern auch für Biokraftstoff. Viele Wildpflanzen wie Schlehen, Weiden oder Krokusse, die kein Gärtner und kein Landwirt pflegt, können sich nur durch Insekten vermehren. Wenn wir die Artenvielfalt unterstützen wollen, müssen wir auch die Bienen unterstützen.

Bienen in der Stadt: Interview mit einem Imkerprofi

Boris Bücheler ist nicht nur Chefredakteur der Zeitschrift bienen&natur, sondern auch selbst Imker im Nebenerwerb. Seine Familie imkert bereits seit mehreren Generationen im Schwarzwald. Im Podcast „Drohnenschlacht – Zwei Imker, drei Meinungen“ diskutiert er zusammen mit Bio-Imkermeister Eddie Obika von sizzerbees aus München verschiedene Fragen rund um die Bienenhaltung. Stephanie von wOnne hat mit ihm darüber gesprochen, wie das Imkern in der Stadt funktioniert und was wir auch als Laien für die Wild- und Honigbienen tun können.

Stephanie: Das Bienensterben betrifft nicht nur die Honigbienen, sondern auch die Wildbienen. Später kommen wir noch aufs Imkern in der Stadt, aber gerade reden wir erst mal über die Wildbienen.

Boris: […] Das wurde jetzt die letzten Jahre gerne etwas verdreht, das mit dem Trend „Bienensterben“. Auch den Honigbienen geht es nicht überall gut. Aber sie sind nicht so akut bedroht die Wildbienen. Die sind vom Aussterben bedroht. Für die Bienen haben wir immer noch den Imker, der das Bienenvolk wieder reproduzieren kann: Er kann helfen, er kann im Notfall füttern, er kann gegen Krankheiten behandeln. Das machen wir Imker alles. Wir können unsere Bienen und Völker auch vermehren und solange es uns Imker gibt, wird es auch immer Honigbienen geben. Bei den Wildbienen sieht das aber anders aus, die auf sich allein gestellt sind. Da müssen wir echt was machen, dass die uns nicht wegsterben.

Stephanie: Was könnte man da denn machen, wenn man in der Stadt wohnt? Wie kann man Bienen in der Stadt unterstützen, vor allem die wilden?

Boris: Vor allem die wilden? (er lacht) Du fängst gut an. Das wichtigste ist natürlich, wie bei uns Menschen, die Ernährung! Sonst würden wir innerhalb von einer Woche verhungern. Den Honigbienen, Wildbienen, Hummeln geht es genau gleich. Nur heißt bei denen Ernährung nicht, dass sie in den Supermarkt oder an den Kiosk gehen und sich etwas zu essen holen, sondern ein Nahrungsangebot in Form von Pflanzen, besonders Blühpflanzen. Sie fressen Nektar und Pollen. […]

Pflanzt bienenfreundliche Pflanzen, die viel Pollen und Nektar spenden. Hier ist wichtig, dass auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten ganze Jahr über etwas blüht. Das ist natürlich schön, wenn im April oder Mai was blüht, aber da blühen viele andere Sachen. Man muss schauen, dass die Bienen ganzjährig was zu futtern haben, auch im Juli und August. Im September wird es dann weniger. […]

Eine Honigbiene in der Stadt sammelt Nektar an einem Lavendel, der auf dem Balkon gepflanzt ist.
Lavendel blüht von Juni bis August. Den Bienen gefällt das. © IMAGO / Future Image

Viele denken: „Ich hol mir im Baumarkt oder im Discounter, wenn da die Blumen im Angebot sind, hol ich mir einfach einen Satz Blumen und pflanz mir die auf den Balkon oder in den Garten.“ Aber da haben wir oft das Problem, dass die Pflanzen so gezüchtet sind, dass sie zwar große schöne Blüten geben – Topbeispiel sind hier die Geranien – aber sie spenden keinen Nektar oder keinen Pollen. Oder die Bienen kommen eigentlich gar nicht ran, weil die mit ihrem Rüssel nicht in die Blüte hineinkommen. Die sind nutzlos für Insekten. Es gibt viele verschiedene Pflanzen oder auch Kräuter, wie Schnittlauch, Fenchel, was gibt es sonst noch? Es gibt echt viele Pflanzen, die auch in einem kleinen Kasten auf dem Fensterbrett oder so anpflanzen kann und die nachher Nektar und Pollen spenden.

Stephanie: Was kann man denn sonst noch auf dem Balkon für Bienen tun? Was lohnt sich da auf jeden Fall?

Boris: Tatsächlich Bepflanzung, Bepflanzung, Bepflanzung. Das ist der Hauptaspekt, dass wir allen Insekten Nahrung schenken. Was seit ein paar Jahren auch beliebt ist, sind diese Insekten- beziehungsweise Wildbienenhotels. Die haben teilweise auch einen Nutzen. Man muss aber dazusagen, dass drei Viertel der Wildbienen diese Insektenhotels gar nicht nutzen. Die überwintern oder leben eher im Boden oder an anderen Plätzen. Drum sind die Wildbienenhotels auch gut, aber oft ist es auch besser, ihnen im Garten oder auf dem Balkon eine Brachfläche zu bieten. Einen Quadratmeter mit Sand, den man freihält. Die Wildbienen können sich einbuddeln und überwintern. Das bringt ihnen mehr, als ein Wildbienenhotel, das zwar gut gemeint ist. Mittlerweile gibt es im Discounter oder Baumarkt viele Modelle, die einfach Schrott sind und den Wildbienen nachher oft mehr schaden als nützen, weil sie einfach baulich falsch umgesetzt sind.

Stephanie: Wie kann man sich die Brachfläche vorstellen? Kann man sich da einfach eine kleine Wanne mit Sand hinstellen und dann graben die sich da ein?

Boris: Genau. Einfach schauen, dass sich der Bewuchs obendrauf in Grenzen hält und ihnen so die Möglichkeit geben, da zu nisten. Das ist wie bei jedem Vogelhaus, wo man ein bisschen versucht, die Natur zu steuern – es gibt keine Garantie, dass sie einziehen.

Stephanie: Es lohnt sich also schon, im Winter die Balkonkästen, wenn die Blumen abgeblüht sind, einfach stehen zu lassen?

Boris: Genau. Einfach brachlassen. Bei Wildbienen haben wir insgesamt über 550 Arten in Deutschland. Wir haben eine wahnsinnig große Bandbreite, eine wahnsinnig hohe Diversität. Jede Wildbiene bevorzugt andere Pflanzen, jede Wildbiene hat andere Vorlieben, was das Überwintern und insgesamt das Leben angeht. So ist für jeden was dabei.

Stephanie: Dann würde ich jetzt mal übergehen zu den Honigbienen. Ich habe bei der Recherche festgestellt, dass es relativ viele Angebote und Interesse gibt von Menschen, die einfach Bienen auf dem Balkon halten möchten, sich eine Kiste bestellen, Bienen holen und dann in die Honigproduktion einsteigen wollen. Geht das wirklich? Und wenn ja, würdest du das überhaupt empfehlen?

Boris: Das triggert natürlich den erfahrenen Imker gleich ein bisschen. Weil da muss jetzt allen die Illusion rauben, die gedacht haben, ich kann mir Honigbienen irgendwo im Internet bestellen und stell da eine Kiste auf den Balkon, kipp die Bienen da rein und dann gibt es ein Jahr später irgendwie ein paar Gläser Honig und mehr muss ich nicht machen. So läuft es leider absolut gar nicht.

Die Honigbiene wurde eben zum Nutztier gezüchtet und bei einer Kuh oder einem Schwein würde jetzt auch niemand auf die Idee kommen, da einfach zu sagen, wir stellen uns eine Kuh auf den Balkon, damit wir jeden Morgen unsere frische Milch haben.

(Stephanie lacht)

Boris: Ich weiß, das ist etwas überspitzt. […] Aber Honigbienen können Krankheiten haben, zum Beispiel die Varroamilbe oder die amerikanische Faulbru. Das ist eine hoch ansteckende Krankheit. Hier müssen wir uns als Imker auskennen. Wir müssen nach den Bienen schauen, wir müssen sie behandeln, auch mit Medikamenten. Jeder, der sich für Bienenhaltung interessiert, sollte sich mal einen lokalen Verein suchen und einen Imkerkurs machen.

[…] Dann lernt man das Imkern und die biologischen Grundzüge: Wie verhalten sich die Bienen, welche Bedürfnisse haben sie, wie entwickeln sie sich im Jahresverlauf? So kann man erst mal reinschnuppern und selbst Imker werden. Aber wirklich: Macht zuerst einen Imkerkurs, informiert euch anständig, lernt die Grundlagen, weil die Bienen sonst sterben. Dann habt ihr das Gegenteil von dem erreicht, was ihr eigentlich wolltet. Das wollen mittlerweile halt viele: der Natur helfen, den Bienen helfen, weil man immer vom Bienensterben hört. Aber wie gesagt, wenn man sich nicht auskennt, dann sterben die Bienen leider nach ein, zwei Jahren mit ziemlicher Sicherheit.

Krankheiten können dann leider auch die umliegenden Völker von Nachbarimkern übertragen werden, gerade wenn wir in der Stadt eine hohe Bienendichte haben. Das ist nicht sehr verantwortungsvoll und kollegial den anderen Imkern gegenüber, dass deren Bienen dann auch krank werden, obwohl sie nichts falsch machen, nur weil der Nachbarimker pennt und seine Bienen nicht gut behandelt.

Bienen in der Stadt: eine Reihe grüner, gelber und blauer Bienenstöcke auf Paletten.
In den Städten ist die Bienendichte besonders hoch. © Natasa – stock.adobe.com

Stephanie: Du hast gerade schon gesagt, in der Stadt ist eine hohe Dichte an Bienen. Fühlen sich die denn wirklich in der Stadt so wohl? Finden die genug zu fressen hier?

Boris: In der Stadt fühlen sich die Bienen durchaus wohl. Wenn man sich umschaut: In vielen Städten gibt es Balkons, Parks und Vorgärten, wo das ganze Jahr über etwas blüht. Was man nicht vernachlässigen darf: Bei Bienen hat man immer die Pflanzen im Kopf, die Blume, wo die Biene ihren Nektar holen. Aber vielmehr sind auch die Bäume wahnsinnig wichtig. Da haben wir im Frühjahr auch in der Stadt Obstbäume, aber auch Alleen mit Ahorn. Im Mai kommt die Rosskastanie – die haben wir in München auch in vielen Biergärten. Das hört sich jetzt komisch an, aber die sind eine hervorragende Bienenweide. In den Alleen haben wir Linden, Robinien und Akazien, die spenden alle viel Nektar und Pollen und sind eigentlich perfekt für Insekten, sodass die ganzjährig genug zu futtern haben. […]

Stephanie: Eine letzte Frage hätte ich noch: Was kann man für Bienen tun, wenn man gar keine Möglichkeit hat, etwas anzubauen, wenn man zum Beispiel keinen Balkon hat, explizit um Bienen oder auch Imker zu unterstützen?

Boris: Wie überall: Kauft regionales Obst und Gemüse, auch Honig. So unterstützt ihr die regionalen Imker. Wenn man den Honig für zwei Euro pro Glas im Supermarkt kauft, dann kommt der mit hoher Wahrscheinlichkeit aus China oder Südamerika. Kauft beim heimischen Imker oder in Hofläden einheimischen Honig. Viele Imker bieten auch Bienenpatenschaften an, wo man sich finanziell an den Völkern beteiligen kann.

Bei Blühflächen gibt es das so ähnlich, wenn man gar keine Möglichkeit hat, im Garten oder auf dem Balkon was zu pflanzen. Es gibt auch immer mehr Landwirte, die Blühpatenschaften anbieten zu bestimmten Fixbeträgen. Für 10 oder 20 Euro kriege ich so und so viele Quadratmeter Blühfläche, wo die Landwirte dann aussähen – da kommen dann eben Blühpflanzen hin statt Mais oder Getreide. Wer sich sonst auch immer freut, wenn ihr keine eigenen Flächen habt, sind städtische Flächen wie Kreisverkehre oder Verkehrsinseln. Das sieht man immer mehr, dass die bepflanzt sind. Geht einfach mal auf die Zuständigen zu, dass ihr mithelfen wollt oder Ideen habt. Auch bei Kirchen. Die haben viele Flächen: Geht einfach mal auf sie zu und fragt, ob man da nicht vielleicht eine Blumenwiese für Bienen und Insekten hinmachen kann. Die wehren sich in den seltensten Fällen.

Den Bienen in der Stadt helfen Wildblumenwiese, die auf Brachflächen gepflanzt werden.
In der Stadt und auf dem Land freuen sich Bienen über ein großes Nahrungsangebot. © Evelyn de Waard – stock.adobe.com

Bienen in der Stadt: Hast du jetzt Lust, Imker zu werden?

Jetzt wissen wir, dass es gar nicht so leicht ist, Imker zu werden! Wenn du aber trotzdem Lust hast, mehr über Bienen und die Imkerei zu erfahren, dann schau dir doch auf Instagram noch einmal das gesamte Interview mit Boris an. Oder hör dir gleich die ein oder andere Folge der „Drohnenschlacht“ an.

Ganz persönlich halte ich lieber meine respektvolle Distanz zu vollen Bienenstöcken, so wichtig die Bienen auch für unser Ökosystem sind. Ich bepflanze meinen Balkon dafür auch mit einer Bienenweide. Bei unseren Kolleginnen von kraut&rüben findest du hier eine Liste mit besonders bienenfreundlichen Blumen.