„Dolle“ Knolle: Kartoffelsorten im Visier

Kartoffelsorten in Hülle und Fülle. Da den Überblick zu behalten, ist gar nicht so leicht. Hier findest du einen Überblick über alte Klassiker und Neulinge.

Bei den Kartoffelsorten kannte ich lange Zeit nur eine: Cilena. Als ich noch jünger war, kam diese Kartoffel bei uns nahezu immer auf den Tisch. Mittlerweile sehe ich die wohlschmeckende Kartoffelsorte aus meiner Kindheit nicht mehr so häufig im Handel oder auf dem Markt. Hier glänzen nun andere Stars am Firmament des Kartoffel-Himmels: Allians, Belana oder die neuen Low-Carb-Kartoffeln.

Kartoffelsorten: Unterschiedliche Sorten eines Marktstands
Auf Märkten ist die Auswahl an Kartoffelsorten meist größer als im stationären Lebensmitteleinzelhandel. © spuno – stock.adobe.com

Kartoffeln machen dick? Ne, das stimmt so nicht!

Dabei hat der Ruf der Kartoffel gelitten, wird sie doch gerne als kalorienbehafteter Dickmacher für Couch Potatoes betitelt. Zu Unrecht. Mit circa 70 Kilokalorien auf 100 Gramm gelten Kartoffeln aus ernährungspsychologischer Sicht als ausgewogene und gut verdauliche Schonkost, insbesondere für Menschen mit Magen-Darm-Problemen. Die Low-Carb-Kartoffel, die seit einiger Zeit erhältlich ist, wirbt damit, nochmals 30 Prozent weniger Kilokalorien auf den Teller zu bringen, also nur rund 50 Kilokalorien auf 100 Gramm.

Die klassische Salzkartoffel hat im Vergleich zur Nudel an Popularität verloren, auch weil ihre Zubereitung als aufwendiger gilt. Nach dem zweiten Weltkrieg war sie aber noch Hauptlieferant für die Kohlenhydratversorgung der deutschen Bevölkerung. Im Wirtschaftsjahr 1950/51 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln bei satten 186 kg, 10 Jahre später waren es schon nur noch 132 kg. Im Jahr 2000/01 waren es dann 70 kg, 2018/19 nur noch 55 kg. In der Corona-Krise feierte die Kartoffel eine kleine Renaissance: Hier zeigen die Zahlen, dass der durchschnittliche Kartoffelverbrauch wieder auf 59,4 kg (lt. statista, Zahlen enthalten sowohl den Verbrauch von Speisekartoffeln sowie von industriell verarbeiteten Kartoffeln) stieg.

Durchhalten – die Kartoffel hilft dabei

Kartoffelsorten hin oder her – eins haben sie gemein: Gekochte Kartoffeln gelten als ideale Nahrung für Ausdauersportler, denn sie machen satt, aber erzeugen kein Völlegefühl. Außerdem werden die Kohlenhydrate in den Muskel- und Leberdepots des Körpers gespeichert, auf die er dann bei stärkerer Belastung längerfristig zugreifen kann. Wirklicher Dickmacher ist die Kartoffel eher in industriell verarbeiteter Form, zum Beispiel als Chips, Pommes, Krokette, Rösti, Curly Fries. Ordentlich gewürzt und mit Mayo und Ketchup serviert, mutiert die einst so gesunde Kartoffel dann doch zum Figur-Killer.

Sie sollte hingegen viel häufiger nur gekocht auf deinem Teller landen, denn dann ist sie als Nahrungsmittel am wertvollsten. Kartoffeln sind reich an Stärke und enthalten außerdem Vitamin C, einige B-Vitamine und Mineralstoffe, u.a. Magnesium, Kalium und Eisen. Das in den Knollen enthaltene hochwertige Eiweiß lässt sich von unserem Körper am besten aufnehmen, wenn es zusammen mit Eiern oder Milchprodukten gegessen wird.

„Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln.“

Vorsicht, bei diesem Sprichwort schwingt auch immer ein bisschen Neid mit. Vielleicht baut er auch einfach die wirtschaftlich „besseren“ Kartoffelsorten an? Viele alte Kartoffelsorten sind vom Markt verschwunden, weil ihr Anbau nicht effizient genug ist. Gründe hierfür können sein, dass die Sorte als krankheitsanfällig gilt oder weil ihre Erntemenge über die Jahre hinweg hinter den Erwartungen blieb. Jährlich veröffentlicht das Bundessortenamt die Beschreibenden Listen für Kartoffelsorten.

Hierbei handelt es sich um eine Liste aller im Handel zugelassenen Kartoffelsorten, die teils auch in anderen Ländern angebaut werden. Die Liste versorgt Landwirte, landwirtschaftliche Berater, den Handel und uns Verbraucher mit detaillierten Informationen. Neben vielen Neuzüchtungen sind aber auch nach wie vor alte Kartoffelsorten dabei, weil sie als besonders lecker gelten oder andere Eigenschaften haben, die ihren Anbau über die Jahre hinweg rechtfertigen.

Überblick: Eine Auswahl an Kartoffelsorten

Agria: vorwiegend mehligkochend, mittelfrühe Ernte unter den Kartoffelsorte, gilt bei Kartoffelkennern als sehr schmackhaft bei den stärkereichen und mehligen Kartoffeln. Eignet sich ideal für Pürees und Reibekuchen. Diese Kartoffelsorte eignet sich außerdem für die industrielle Verarbeitung zu Chips und Pommes.

Allians: festkochend, fein aromatisch und robust im Anbau – des Landwirts Liebling und Star im Kartoffelsalat. Ebenfalls mittelfrühe Ernte unter den Kartoffelsorten. Nachfolgerin der Kartoffelsorte Linda, die von vielen Verbrauchern schmerzlich vermisst wird. Schmecken auch super als Smashed Potatoes.

Überblick Kartoffelsorten: Allians
Aktuell häufig im Supermarkt anzutreffen: Die festkochende Kartoffelsorte Allians. © Franziska Wangelin

Adretta: mehligkochend, bekannte ostdeutsche Züchtung, späte Ernte und gute Lagerfähigkeit. Fällt aufgeschnitten durch ihre hellgelbe Farbe auf. Verwendest du am besten für Pürees, Kartoffelklöße und Eintöpfe.

Bamberger Hörnchen: festkochend, helles Fleisch mit gelber bis gleicht rosafarbener Schale, mittelfrühe Ernte. Diese „krumme“ Knolle gehört zu den alten Kartoffelsorten und wird seit dem späten 19. Jahrhundert angebaut. Ihr Ursprung soll sie – wie der Name schon sagt – in Franken/Bayern liegen. Dort heißt sie auch Bamberger Hörnla. Ihr Anbau ist mittlerweile als regionale Sorte mit einer geografischen Angabe europaweit geschützt. Das Bamberger Hörnchen hat übrigens schon eine Miss-Wahl gewonnen: Sie war Kartoffel des Jahres 2008. Macht sich aufgrund ihrer Größe gut als Pellkartoffel, schmeckt aber auch fein in Salaten.

Überblick Kartoffelsorten: Bamberger Hörnchen
Das Bamberger „Hörnla“, wie man im Süden sagt, ist eine ideale Pellkartoffel. © Cora Müller – adobe.stock.com

Belana: festkochend, frühe Ernte und neben der Allians noch eine Nachfolgerin für Linda. Belana ist ebenfalls des Bauerns Beste: gute Erntemengen, gute Lagerfähigkeit. Und in der Küche macht sie mit ihrer ovalen Form und dünnen, glatten Schale auch einen guten Job, ob schlicht als Salzkartoffel oder im Kartoffelsalat.

Bintje: „Alsjeblieft“ – bitteschön, sagen unsere niederländischen Nachbarn, als sie uns die Binje brachten. Diese niederländische Züchtung wandert zwischen vorwiegend festkochend bis mehligkochend und eignet sich deshalb für Pürees, Suppen und Eintöpfe. Wer nicht gerne schält, freut sich über ihre großen Knollenvmit dünner, gelber Schale.

Blauer Schwede: eine der Kartoffelsorten, die man sich gerne anschaut. Warum sie so aussieht? Grund dafür sind die in ihr enthaltenen Anthocyanen. Diese sollen gegen freie Radikale wirksam sein und gelten als krebshemmend. Das violette Fleisch färbt sich beim Kochen übrigens blau. Sie ist vorwiegend festkochend bis mehligkochend und deshalb ein Blickfang für blaues Kartoffelpüree. Übrigens auch eine Prämienträgerin: Sie war Kartoffel des Jahres 2006. Diese mittelfrüh geerntete blaue Knolle gehört zu den alten Kartoffelsorten und ihr Ursprung wird in Skandinavien vermutet.

Überblick Kartoffelsorten: Blaue Schweden
Alter Schwede, was für eine Farbe! Diese Kartoffelsorte ist rein optisch schon ein wahrer Hingucker. © Schmutzler-Schaub – stock.adobe.com

Blaue St. Galler: Schweizer Züchtung, die ursprünglich auf die Blauen Schweden zurückgeht. Mittelfrühe Ernte. Wird durch die Kartoffelindustrie gerne zu blauen Chips verarbeitet.

Cilena: DIE Sorte meiner Kindheit. So, wie Allians und Belana, nun nahezu immer und überall erhältlich sind, waren es doch vor 20 Jahren Cilena, oder? Vorsicht, mein objektiver Eindruck, hierfür habe ich keine belegbaren Zahlen 😉 Ich mag diese Sorte trotzdem sehr gerne. Sie ist festkochend und eignet sich nahezu für sämtliche Aufläufe, Gratins, Brat- und Salzkartoffeln. Sie gehört zu den früh geernteten Kartoffelsorten und ist trotzdem gut lagerfähig. Sie besticht mit einer schönen, gelben Farbe und großen, länglichen Knollen. Kartoffelkenner sagen, ihr Aroma wird mit zunehmender Lagerdauer noch feiner.

Coronada: neue und ertragsstarke Sorte, die für die Low-Carb-Kartoffel-Produktion geeignet ist. Coronada ist eine vorwiegend festkochende Speisekartoffel mit frühem Erntezeitpunkt. Einheitliches Erscheinungsbild mit rund-ovalen Knollen.

Granola: Vorwiegend festkochende und mittelfrühe Sorte mit recht runden Knollen und rauer Schale. Gute Lagerfähigkeit. Nicht erschrecken: Beim Kochen ist sie anfangs sehr fest, wird dann aber nach einigen Minuten zunehmend weicher und eignet sich gut für Kartoffelknödel und Pürees. Auch sie ist eine Siegerin: Sie war Kartoffel des Jahres 2014.

La Ratte: Bonjour! Je suis une patate. Mein Französisch lässt leider zu wünschen übrig. Ich wollte damit eigentlich eh nur sagen, dass La Ratte ein Klassiker unter den Kartoffelsorten aus Frankreich ist. Sie gehört ebenfalls zu den alten Kartoffelsorten und soll seit dem späten 19. Jahrhundert angebaut werden. Optisch ähnelt sie äußerlich etwas unserem Bamberger Hörnchen durch ihre kleine, längliche Form, ihre inneren Werten zeigen ein gelbliches Fleisch mit speckigem Charakter. Sie gehört zu mittelfrühen und festkochenden Kartoffelsorten und ist bei Kartoffelfreunden wegen ihres nussigen Geschmacks beliebt.

Linda: Diese Sorte mit gelbem, festem Fleisch löste einen wahren Kartoffelsorten-Skandal aus. Nach Auslauf des 30-jährigen Sortenschutzes sollte sie 2004 eigentlich vom Markt genommen werden. Landwirte und Verbraucher liefen Sturm. Ende vom Lied: Nach mehreren Jahren Streit ist es den gelungen, den Erhalt der Sorte zu sichern. Mittlerweile ist die festkochende Linda, die dann zur Kartoffel des Jahres 2007 gekürt wurde, besonders im Bioanbau beliebt. Aufgrund ihres angenehmen Geschmacks ist Linda ein wahrer Liebling – da braucht es nicht einmal eine Soße.

Linella: ist nur ein Markenname von Kaufland. Dahinter verbirgt sich die Low-Carb-Kartoffel Coronada (siehe oben).

Montana: Diese neue Low-Carb-Kartoffel wird von Edeka vertrieben. Sie ist festkochend und gehört zu den Kartoffelsorten mit mittelfrühem Erntezeitpunkt. Bei Anbauern aufgrund ihrer einheitlichen Abpackoptik beliebt: einheitliche Knollen mit gelbem bis tiefgelbem Fleisch.

Nicola: Noch so eine Prämien-Kartoffel – Nicola war Kartoffel des Jahres 2016. Sie gehört zu den mittelfrühen, festkochenden Kartoffelsorten. Gute Lagerfähigkeit und für Landwirte ein Träumchen: Sie gilt als robuste Sorte, die auch unter schwierigen Wetter- und Bodenbedingungen gute Erträge erzielt.

Sieglinde: Und weil‘s so schön ist, gleich nochmal: Sieglinde war Kartoffel des Jahres 2010. Sie gehört zu den Vertretern der älteren Kartoffelsorten und stammt aus dem Jahr 1935. Beliebte Kartoffel für die Selbstversorgung, da sie weitestgehend resistent gegen die typischen Krankheiten der Kartoffelpflanze ist. Die gute Sieglinde ist eine frühe und festkochende Kartoffel mit längeren, ovalen Knollen und einer intensiven gelben Farbe. Geliebt wird sie für ihr würziges Aroma, das noch intensiver sein soll, wenn sie auf Moorböden angebaut wird.

Vitelotte: Für den kommerziellen Anbau eine eher uninteressante Sorte, denn die Erträge sind klein. Aussehen? Naja. Dicke und raue Schale mit tiefen Augen. Warum sie es in diese Auflistung geschafft hat? Ihr Geschmack (und ihre violette Farbe)! Sie gilt als „französische Trüffelkartoffel“. Mild würzig bis nussig soll sie schmecken.

Bei dieser Auflistung handelt es sich nur um eine kleine Übersicht der gängigsten Kartoffelsorten. Du kennst noch eine Kartoffelsorte, die ich unbedingt in diese Liste aufnehmen sollte? Dann freue ich mich, wenn du mir eine Mail an franziska@wonne.de schreibst.