Räuchern: Heilsames Ritual für Körper, Geist und Seele

Das Räuchern von Kräutern, Hölzern und Harzen ist zurück: Wie das uralte Wissen um die Impulskraft der Kräuter auf unsere physische und psychische Gesundheit zum Ausdruck eines neuen Lebensgefühls wird.

Kräuter, Harze, Räucherwerk: Bis unter die Decke türmen sich verschiedenste Holzgefäße und Schächtelchen mit getrockneten Pflanzen. Ein samtig-würziger Duft erfüllt den Raum. An der Theke des Kräuterladens nahe der Münchner Innenstadt steht die Kundin Nicole und lässt sich ihre Pflanzenmischungen abwiegen. Erst vor einigen Jahren hat sie die Technik des Räucherns für sich entdeckt, um Heilungsprozesse zu unterstützen und zur Ruhe zu kommen.

Ein altes Ritual neu entdeckt

Dabei begleitet uns Menschen das Räuchern von Kräutern, Harzen und Gewürzen schon seit Jahrtausenden. Ob im alten China, in Indien oder bei den alten Germanen: Rauch, Düfte und ätherische Öle hatten und haben seit jeher große Bedeutung in alternativ-medizinischen, spirituellen und religiösen Traditionen. Die alten Germanen versuchten etwa, durch Räucherungen mit den Göttern in Kontakt zu treten. Seit der Antike werden Myrrhe und Weihrauch, das getrocknete Harz des Weihrauchstrauchs (Olibanum), aus dem Oman ans Mittelmeer und von dort nach Europa transportiert. Zeitweise wurde es mit purem Gold aufgewogen. In der katholischen Kirche hat dieser Weihrauch, auch „Duft der Götter“ genannt, bis heute seinen festen Platz. Im Privatgebrauch galt Räuchern im letzten Jahrhundert dagegen eher als seltsame Praxis – bis heute!

„Es war nur eine Frage der Zeit, bis die alte Tradition des Räucherns bei uns aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde.“

Adolfine Nitschke
Adolfine Nitschke
© Petra Kellner

Adolfine Nitschke weiß, wovon sie spricht. Die zertifizierte Wildkräuterführerin hat bereits einige Bücher über das Räuchern veröffentlicht.

Räuchermomente im Jahreskreis

Während Kräuter, Harze und Gewürze medizinisch unterstützend genau dann eingesetzt werden, wenn sie gebraucht werden, folgt der rituelle Einsatz oft ganz anderen Mustern.

Hier spielen bestimmte Termine im Jahreskreis eine Rolle, beispielsweise die zwölf Tage nach der Wintersonnwende, die dem Mythos nach die Möglichkeit zur Reinigung und zum Neubeginn geben. Diese sogenannten Raunächte (Rauchnächte) werden heute zwischen 25. Dezember und 6. Januar abgehalten. Dabei repräsentiert jede Nacht einen bestimmten Monat des Jahres und erfüllt eine eigene Aufgabe.

Natur und Jahreslauf bewusst wahrnehmen

„Die Raunächte sind noch heute eine spirituelle Zeit, wie eine Grenzwanderung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Mit einem Räucherritual in den Raunächten fällt einem der gedankliche Abschluss des vergangenen Jahres leichter. Und gleichzeitig stimmt man sich positiv auf das kommende Jahr ein“, erläutert Adolfine Nitschke. Mit der Reinigung aller Räume des Hauses durch zu gleichen Teilen verräucherten Weihrauch und Myrrhe, finden die Raunächte in der Nacht zum 6. Januar ihr Ende. Ob man sich an die Feste im Jahreskreislauf hält oder ganz eigene Räucherrituale schafft: Räuchern kann helfen, achtsam nach innen und außen zu schauen, Ruhe zu finden, klare und bewusste Entscheidungen zu treffen.

Räuchermischungen selbst herstellen

Was vielleicht kompliziert aussieht, ist genauer betrachtet recht einfach. Denn viele geeignete Pflanzen wachsen direkt vor unseren Augen: an Flüssen, in Gärten, auf Balkonen oder sogar am Wegesrand in der Großstadt. Dort kannst du Blüten, Blätter, Samen, Rinden, Harze oder Moose sammeln. Mit einem Mörser leicht zerkleinert entfalten sich die Aromen der getrockneten Pflanzenteile beim Räuchern am besten. Wer es schneller möchte, kann sich natürlich genauso gut im Fachhandel versorgen.

Die Wirkstoffe von Räucherwerk bleiben luft- und lichtdicht verschlossen gut 1–2 Jahre haltbar, Harze im Grunde ewig. Nicole genießt die Zeit mit ihrer 8-jährigen Tochter. Häufig streifen die beiden durch Stadt und Umland, um Pflanzen zu sammeln. „Es ist schön, wie meine Tochter dabei die Natur und viele Rituale im Jahreskreislauf ganz selbstverständlich kennenlernt. Räuchern spricht alle Sinne an. Es entspannt und gibt Ruhe und Kraft. In unserer schnelllebigen Zeit tut das wirklich gut.“

Durch das Räuchern löst sich Negatives in Luft auf

Wie die Inhaltsstoffe zu ihrer Wirkung kommen, kann Adolfine Nitschke gut erklären: „Am verständlichsten werden die Wirkungskreise beim Vergleich mit Teesorten. Viele Menschen haben für kleinere Beschwerden den passenden Tee parat, für Erkältungen, bei Magenverstimmung oder Husten. Dazu brühen sie die Kräutermischung mit kochendem Wasser auf. Beim Räuchern werden die wertvollen Inhaltsstoffe der Pflanzen mit Feuer gelöst, transformiert und in die Raumluft abgegeben. Die unterschiedlichen Wirkstoffe werden mit dem Duft an das limbische System in unserem Gehirn weitergeleitet und entfalten von dort ihre Wirkung, insbesondere wenn man die Räucherung öfter durchführt.“

Räuchern mit Teelichtbrenner
Praktischer für den Alltag: Ein Stövchen mit Teelicht. © Patrick Daxenbichler – www.pd-design.at – stock.adobe.com

Richtig Räuchern mit Kohle oder Stövchen

Wenn du zu Hause räuchern möchtet, eignen sich zum einen glühende Kohlestücke, zum anderem spezielle Stövchen. Für die Variante mit Kohle verwendest du am besten eine mit Feuersand gefüllte Räucherpfanne. Auf ein glühendes Kohlestück oder -Tab wird mit einer Räucherzange Harz gelegt, beispielsweise Weihrauch oder selbst gesammeltes Fichtenharz. Erst dann kommen die Kräuter obenauf. So verhinderst du, dass die Kräuter zu schnell verbrennen. Dafür können sich Rauch und Duft gut entwickeln. Kohleräucherung ist für starke Rauchentwicklung gut oder wenn Viren und Bakterien aus der Luft eliminiert werden sollen. Wegen des entstehenden Feinstaubs solltest du im Anschluss gut lüften. (Schon gewusst? Auch beim Abbrennen von Kerzen entsteht Feinstaub.)

Sanfter und für den täglichen Gebrauch zuhause besser geeignet, ist das Räuchern mit Teelicht und Stövchen. Hier legst du das Räucherwerk am Rand eines feinmaschigen Siebs oben auf ein Stövchen. Dabei entsteht nur sehr wenig Rauch, die Kräuter verglimmen langsam und schonend, der Duft entwickelt sich ganz weich und heilsam. Für etwas mehr Rauch schiebst du die Kräuter mit der Räucherzange etwas mittiger auf das Sieb. Sollte das Sieb nach häufigem Räuchern verkleben, einfach kurz mit einer Drahtbürste und Spülmittel reinigen.

Räuchern: Tipps und Anleitungen zum Weiterlesen

Nach dem preisgekrönten Fachbuch „Heilsames Räuchern mit Wildpflanzen“ erschien im Oktober mit „Räuchermomente im Jahreskreis“ das neueste Werk der zertifizierten Wildkräuterführerin Adolfine Nitschke. „Im Fokus stehen einheimische Pflanzen, die in der Volksheilkunde, in der Wildkräuterküche und insbesondere in der Räucherschale Verwendung finden.“ Du bekommt es bei ihr auf der Webseite.