Microgreens: Interview zum Indoor-Gärtnern mit Caro von Hauptstadtgarten

Zum Indoor-Gärtnern brauchst du weder Balkon noch Garten. Im Interview mit Caro erfährst du, wie die Ernte in der Wohnung klappt.

In Städten wie München oder Berlin an einen Schrebergarten zu kommen ist schlichtweg unmöglich. Wenn man Glück hat, beträgt die Wartezeit drei bis fünf Jahre, wenn man Pech hat, wird man überhaupt nicht auf die Warteliste gesetzt. Auch eine Wohnung mit Terrasse oder einem Balkon ist keineswegs selbstverständlich. Mittlerweile weiß ich aber, dass wir den gar nicht brauchen, um unser eigenes Gemüse anzubauen: Indoor-Gärtnern klappt sogar auf der Küchenfensterbank.

Indoor-Gärtnern: Hauptstadtgarten zeigt dir, wie das geht!

Nicht nur Microgreens lassen sich in der Wohnung anbauen, weiß Carolin Engwert, Schöpferin des Gartenblogs Hauptstadtgarten. Vor einigen Jahren hat sie tatsächlich eine Schrebergartenparzelle in Berlin ergattert. Seitdem veröffentlicht sie auf ihrer Website Tipps zum Gärtnern im Schrebergarten und auf dem Balkon. In Zusammenarbeit mit dem Kosmos-Verlag sind sogar zwei Bücher erschienen.

Im Ratgeber „Indoor-Ernte: Es geht auch einfach“ erfahren wir, wie die Ernte von Gemüse, Kräutern und sogar Pilzen auch in Küche oder Wohnzimmer funktioniert. Genau darüber hat auch unsere Redakteurin Stephanie mit Caro gesprochen.

Stephanie: Welche Möglichkeiten bieten denn Wohnungen an, um zu gärtnern?

Caro: Am wichtigsten ist erst mal zu verstehen, wie Pflanzen eigentlich funktionieren. Sie brauchen ein bisschen Licht, ein bisschen Wasser und Nährstoffe. Es gibt einen Wirkkreis zwischen Temperatur, Wachstum und Licht: Je wärmer es ist, desto heller muss es auch sein, weil dann dieser pflanzliche Kreislauf in Gang kommt. Wenn man eine dunkle Wohnung hat, muss man gucken, dass die Pflanzen entweder nicht zu warm stehen, was gerade im Winter nicht so einfach ist wegen der Heizung, oder mit Kunstlicht nachhelfen. Es gibt mittlerweile allerdings sehr gute Pflanzleuchten. Die von den ganzen größeren Herstellern sind gut abgemischt. Man kann da zwar ganz nerdig reingehen, aber eigentlich funktionieren sie alle.

Wenn man mit Kunstlicht arbeitet, würde ich immer empfehlen, eine Lampe mit weißem Lichteindruck zu nehmen. Es gibt auch welche, die sind nur blau-lila. Blaues Licht fördert hauptsächlich das Blattwachstum, rotes Licht die Blütenbildung. Wenn dann noch grünes Licht hinzukommt, dann hat man einen weißen Lichteindruck und hat nicht auf einmal das Gefühl, man ist im Rotlichtmilieu, auf einer Hanfplantage oder in der Disko. […]

Meine Message zum Indoor-Gärtnern ist, dass man ganz klein anfangen kann. Wenn es dann Bock macht, macht man mehr. Aber man braucht nicht viel, man muss nicht für viel Geld viel [Zeug] anschaffen. Ganz viel geht mit Sachen, die man sowieso schon hat.

Caro hat ein Buch über Indoor-Gärtnern geschrieben.
Caro bloggt über ihren Schrebergarten in Berlin. © Carolin Engwert

Stephanie: Man muss also gar nicht alles neu kaufen. Man kann nehmen, was man in der Küche rumstehen hat. Was ist denn die Grundausstattung, wenn man mit dem Indoor-Gärtnern anfangen möchte?

Caro: Man braucht ein Aussaatgefäß, z.B. kleine Tontöpfe, irgendwas, wo idealerweise unten ein Loch drin ist, damit das Wasser ablaufen kann und einen Untersetzer hat, damit das überschüssige Wasser keine hässlichen Flecken auf Omas Kommode macht. Dann braucht man ein bisschen Erde und Saatgut. Und am besten irgendwas, was ein Gewächshaus simuliert, z.B. eine Plastiktüte zum Drüberstülpen, Glasteller oder Einmachgläser. Das macht man dann ein bisschen feucht und schon entsteht darunter eine Art Mikroklima. Wenn die ersten Keimlinge kommen, nimmt man [die Abdeckung] wieder weg. […] So Saatguttütchen gibt es ja mittlerweile auch im Bioladen; die sind echt gut sortiert.

Stephanie: Hast du bei allen Sorten getestet, wie lange sie brauchen?

Caro: Das mache ich tatsächlich immer. Auch deswegen hat mich der Kosmos-Verlag als Autorin akquiriert, weil sie halt wussten, dass ich das nicht nur irgendwo gelesen habe und aufschreibe. Dadurch, dass ich die Fotos für die Bücher mache, kann ich ja nur fotografieren, was ich gegärtnert habe. Das ist aber total spannend, weil ich immer denke: Wenn ich es hinkriege, kriegen die Leser es auch hin. Wenn ich es nicht hinkriege, dann kann es nicht ins Buch.

Stephanie: Wo wir gerade bei Pflanzgefäßen waren: Ich habe in deinen Büchern auch gelesen, dass du von diesen Papiertöpfen abrätst. Warum?

Caro: Ich liebe es, wenn ich Fragen bekomme, die ich schon immer beantworten wollte. Die sehen total hübsch aus und sind unglaublich dekorativ. Man würde ja vielleicht denken, dass sie sehr nachhaltig sind, weil sie sich zersetzen. Die haben aber einen Haken und zwar: Die sind ja aus gepresstem Papier. Wenn man die gießt, dann fließt das Wasser durch die Erde in den Topf an die Seite – das trocknet dann oben beim Saatgut relativ schnell wieder ab, dass Papier bleibt aber feucht. Dann wird immer wieder nachgegossen. Dadurch fängt das schnell an zu schimmeln. […]

Stephanie: Was ist denn die Alternative, die du stattdessen vorschlägst?

Caro: Was auf jeden Fall geht, sind so kleine Tontöpfchen. Die kriegt man in Gärtnereien. Was ist super finde und im Garten immer aufhebe, wenn ich Stauden pflanze, sie diese viereckigen Töpfe. Die sind zwar aus Plastik, aber: Die sind stapelbar und man kann sie 780-mal wiederverwenden. Viele davon sind auch eckig und man sie platzsparend auf Tabletts stellen. Das ist beim Indoor-Gärtnern ein großer Vorteil.

Die gibt es in verschiedenen Größen, aber sie sind genormt. Man kann sie gut reinigen, sodass man keine Krankheiten oder Schädlinge verbreitet. Da die sowieso anfallen, kann man auch mal Leute fragen, die selber gärtnern. Was sonst noch gut funktioniert, sind Obstverpackungen. Ich versuche schon, keine abgepackten Tomaten und Weintrauben zu kaufen. Ab und an machen wir das aber alle mal. Solche Plastikverpackungen mit passendem Deckel. Wenn man die aufhebt, kann man darin sehr gut aussähen und hat gleich Mini-Gewächshäuser.

Indoor-Gärtnern mit Tontöpfchen: eine Paprikapflanze wächst heran
Fürs Indoor-Gärtnern und die Anzucht empfiehlt Caro Töpfchen aus Ton statt aus Papier. © imago/blickwinkel

Stephanie: Wenn man im Gartencenter steht, ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, welche Erde man kaufen soll. Was ist deiner Meinung nach das richtige, um Indoor Gemüse und kleine Pflänzchen anzubauen?

Caro: Wenn man klein anfängt, sollte man sich nicht gleich so einen riesigen 40 Liter Sack kaufen. Der Erde-Markt ist wirklich interessant. Es gibt die absurdesten Spezialerden für alles Mögliche. Eine Spezialerde würde ich eigentlich nur für Kakteen und Zitrusfrüchte empfehlen. Viele andere Erden haben ihre Namen nur aus Marketing-Gründen. Was ich ganz wichtig finde, ist dass man eine torffreie Erde kauft. Torfabbau ist einfach Landschaftszerstörung. Torf ist zwar gut zu Speicherung von Wasser; das ist schwer zu ersetzen. Als großer Ersatzstoff wird dann Kokosfaser verwendet, die am anderen Ende der Welt auf grässliche Art und Weise hergestellt wird.

Es gibt aber interessante Torfersatz-Produkte, zum Beispiel Torfmoos, das ist eigentlich der Urstoff der Torfentwicklung. Man versucht jetzt in Torfabbaugebieten zu renaturieren, das Moos dort anzubauen und abzuernten. Aber jetzt bin ich abgeschweift. Wenn man im Gartencenter steht, darauf achten, dass die Erde torffrei ist und dass der Sack nicht zu groß ist. Für die erste Aussaat kann man gut eine Anzucht- oder Kräutererde nehmen, die ist nicht so stark gedüngt. Sonst alles, was Gemüsepflanzerde ist. Wenn man eine Erde gefunden hat, die einem gut gefällt, dann sollte man sich die abfotografieren oder aufschreiben, sonst vergisst man es wieder. […]

Stephanie: Wie anfällig sind die kleinen Pflänzchen für Schädlinge oder Schimmelsporen?

Caro: Das Pflanzen in der Wohnung hat verschiedene Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass es nicht viele spezifische Schädlinge gibt. Pflanzenschädlinge kommen nicht rein. Aber die Nützlinge haben wir auch nicht. Blattläuse zum Beispiel kann es in der Wohnung geben. Draußen helfen uns da die Marienkäferlarven und die Florfliegen, die haben wir drinnen nicht. Mein Tipp: mechanisch entfernen und mit Wasser abspülen. […]

Womit man auch allen möglichen Schädlingen vorbeugen kann, ist, dass man für ein gutes Raumklima und genug Luftfeuchtigkeit sorgt. Dafür kann man die Pflanzen einmal am Tag mit frischem Wasser ansprühen. Wenn man neue Pflanzen dazu holt, sollten sie ein oder zwei Wochen in Quarantäne in einen anderen Raum, um zu gucken, ob nicht blinde Passagiere an Bord sind. Meistens holt man sich Schädlinge über andere Pflanzen in die Wohnung. […]

Stephanie: Welches Gemüseprojekt würdest du für Anfänger empfehlen? Was gibt viel zurück, wenn man noch nicht viel Erfahrung hat?

Caro: Was wirklich toll ist, sind Radieschen. Die sind mein Lieblingsanfängergemüse, weil sie sehr dankbar sind. In der Wohnung kann man dann die ganzen jungen Radieschen einfach ernten und in den Salat tun. Was auch ein gutes Anfängergemüse ist, aber leider nicht sehr bekannt, ist der Asiatische Wasserspinat. Der lässt sich auch in der Wohnung anbauen.

Radieschen wachsen zusammen mit Kräutern auf der Fensterbank.
Radieschen kannst du auch als Anfänger auf der Fensterbank anpflanzen. © imago images/Hans Lucas

Mehr erfahren: Champignons und Rosenseitlinge in der Wohnung anbauen

Willst du auch wissen, wie man beim Indoor-Gärtnern Pilze wie Champignons oder Rosenseitlinge in der Wohnung anbaut? Dann schau dir doch ganze aufgezeichnete Interview mit Caro auf unserem Instagram-Kanal an. Eine Anleitung zum Anbau von Radieschen im Topf haben unsere Kollegen von kraut&rüben für dich geschrieben.

Oder möchtest du kein Gemüse und keine Kräuter auf deiner Fensterbank anbauen, sondern lieber Wildkräuter im Park und in der freien Natur sammeln? Dann empfehle ich dir diesen Interview mit der Kräuterpädagogin Victoria von vildvuchs!