Interview: Mit Omi in die kulinarische Vergangenheit – aber vegan

Der Einstieg in die vegane Ernährung fällt oft schwer, vor allem wenn man gerne deftige Hausmannskost isst. Deshalb hat Angelique mit ihrer Omi ein veganes Kochbuch mit klassischen Rezepten kreiert.

Über 140.000 Menschen folgen Angelique Vochezer auf ihrem Instagram-Kanal Angeliquelini. Hier zeigt sie Outdoorerlebnisse zu Fuß oder ihrem Van, wie man Spaß an einem nachhaltigen Leben haben kann und leckere vegane Rezepte. Zusammen mit ihrer Omi hat sie jetzt ein Kochbuch geschrieben. Zusammen haben die beiden deftige Kindheitsgerichte und Klassiker in vegane Gerichte umgewandelt, die mindestens genauso gut schmecken. Im Interview erzählt die 30-Jährige, wieso ihr gerade vor Oma das Outing als Veganerin so schwerfiel und wieso Instagram mehr Realität braucht.

Am 1. September 2022 erschien dein erstes Buch. Wie fühlt es sich an, es in den Händen zu halten?

Es ist ein wahnsinniges Gefühl, so neu, das hatte ich bisher nicht. Am meisten bin ich auf die Reaktion meiner Omi gespannt. Ich glaube, sie wird es gar nicht so richtig begreifen, was das eigentlich für sie bedeutet.

Im Buch sind ausschließlich vegane Rezepte. Wie kamt ihr auf die Idee?

Wir haben immer wieder darüber gewitzelt. Als ich ihr vor sieben Jahren erzählte, dass ich ab jetzt vegan lebe, hat sie ganz vieles ausprobiert. Sie hat sich informiert, wie man welche Zutaten ersetzen kann, wie sie ihre deftigen Speisen genauso gut hinbekommt. Die ganze Familie war immer von ihren Torten begeistert, die sie zu den Geburtstagen gebacken hatte. Niemand bemerkte, dass die plötzlich vegan waren. Erst danach hat sie das Geheimnis gelüftet. Über Instagram teilte ich manchmal die Rezepte meiner Omi. Immer öfter kam die Rückmeldung, dass so ein Kochbuch von uns beiden ganz toll wäre. Der Ullstein Verlag kam auf mich zu, tatsächlich aber wegen einer anderen Buchidee. Ich hatte ihnen dann vom Kochbuch erzählt und sie waren begeistert.

Du sagst, es fiel dir besonders schwer, deiner Oma zu sagen, dass du nun vegan lebst. Wieso?

Weil Großeltern anders sind. Ich kenne meinen Opa, der besteht auf sein Fleisch. Meine Oma liebt es, uns mit deftiger Hausmannskost zu bekochen, sie war immer so stolz auf ihre Torten mit Sahne. Ihr dann erklären zu müssen, dass ich das ab sofort so nicht mehr esse, tat mir im Herzen weh. Vor etwa sieben Jahren erzählte ich ihr, dass ich ab sofort pflanzlich lebe.

Sie war sofort total offen, hat es super aufgenommen. Sie erinnerte sich immer öfter an die Nachkriegszeit und ihr fiel auf, dass sie sich als Kind genauso ernährt hatte, nur einen Begriff gab es dafür nicht. Damals gab es kein Geld für Fleisch, höchstens am Sonntag mal den Braten.

Gefehlt hat ihnen aber nichts. So entstand bei ihr ein Umdenken, sie hat sogar die Rezepte ihrer Mutter wieder ausgepackt und nachgekocht. Das Kohlrabischnitzel zum Beispiel war früher ihr Kindheitsgericht. Essen ist ein emotionales Thema, man will niemandem auf den Schlips treten. Ich habe ihr Essen nicht verweigert, weil ich es nicht mehr mochte, sondern mich bewusst dazu entschieden. Ich war echt froh, dass sie so offen war.

Bist du in deiner gesamten Familie auf so viel Verständnis gestoßen?

Ich muss schon sagen, dass es Zeit brauchte. Auf Familienfeiern wurde natürlich ab und zu gestichelt. Manche brauchten länger als andere, um es zu verstehen und zu akzeptieren. Im Prinzip waren aber alle offen gegenüber dem Thema. Irgendwann stellten sie Fragen, dachten über ihre Ernährung mehr nach. Meine Tante und meine Cousine leben heute auch vegan, meine Eltern essen so gut wie kein Fleisch mehr. Ich bin froh, wie sich das alles ins Positive entwickelt hat.

Wie war es, mit deiner Oma all die Rezepte auszuprobieren? Habt ihr viel neu kreiert oder nur Kindheitsgerichte umgewandelt?

Hauptsächlich sind es Omas Rezepte im Buch. Sie hat sich ihre liebsten Gerichte zusammengeschrieben, ich habe meine Favoriten aus der Kindheit aufgezählt und so entstand das Grundgerüst für das Buch. Wir haben zusammen experimentiert. Als Oma dann daheim war, hat sie oft noch weiter getüftelt, bis es perfekt war und ich musste dann wieder vorbeikommen und verkosten.

Wart ihr euch immer einig?

Ja, total. Sie ließ mich machen, auch beim Schreiben. Die Rezepte haben wir zusammen entwickelt. Bei ihr überwiegend gekocht und experimentiert, zuhause mit meinem Freund Sascha fotografiert. Der hat so ein super Auge dafür. Food-Fotografie ist ja doch noch mal was ganz anderes.

Du und deine Oma habt also richtig intensiv Zeit miteinander verbracht.

Genau. Ich muss sagen, unsere Beziehung hat dadurch ein neues Level erreicht. Wir haben viel und tiefgründig geredet, vor allem, als sie von ihrer Kindheit gesprochen hat. Das war richtig schön. Wenn sie heute von unserem Buch erzählt, liebe ich ihr Strahlen übers ganze Gesicht. Ich glaube, das Projekt hat sie jung gehalten. Vor allem während der Pandemie. Es war eine schöne Aufgabe für sie. Immerhin war es immer ihr Lebenstraum, ein Kochbuch im kleinen Rahmen für die ganze Familie zu schreiben und ihre Rezepte zu verewigen. In so einem großen Rahmen hätte sie sich das natürlich nie erwartet.

Angelique und ihre Oma beim Backen in der Küche
Für ihr Kochbuch haben Angelique und ihre Oma viele Stunden lang in der Küche experimentiert. Angelique Vochezer und Sascha Kern. © 2022 Allegria in der Ullsteinbuchverlage GmbH, Berlin

Das Buch ist also eine Art Familiengeschichte?

Ja, es wurde zu einem richtigen Familienprojekt. Meine Mama hat viel beigesteuert und überhaupt kam oft die ganze Familie, um zu probieren.

Für wen ist euer Buch?

Es ist für Menschen, die mit veganer Ernährung anfangen. Für Eltern und Großeltern, die erfahren, dass Kinder und Enkelkinder jetzt vegan leben. Es ist ein Einmaleins für die vegane Küche und ein Beweis dafür, dass Veganismus nicht gleich Mangelerscheinung bedeutet. Das assoziieren viele ja direkt damit, dass einem dann ganz viele Nährstoffe fehlen. Für die, die sich einfach mal ausprobieren möchten oder schon länger vegan leben und ihre Kindheitsgerichte mit dem vertrauten Geschmack wieder essen möchten. Einfach für jeden, der Lust darauf hat, in der Küche Neues auszuprobieren.

Was ist dein absolutes Lieblingsessen im Buch?

Definitiv der Erdbeerkuchen. Auf den hat sich jeder bei Geburtstags- und Familienfeiern gefreut. Die sind bei uns hauptsächlich im Mai und Juni, also der Hauptsaison für Erdbeeren. Als Kind war ich schon am Tag zuvor nervös, weil ich mich so auf deinen Kuchen gefreut hatte. Dass der jetzt vegan ist und so super schmeckt, ist mein persönliches Highlight. Bei meiner Omi ist es das Kohlrabischnitzel mit Kartoffelbrei und Salat. Das war ihr Lieblingsessen, als sie noch ein Kind war. Bei solchen Rezepten hat sie dann auch viel von sich erzählt.

In diesem Kochbuch gibt es Klassiker der deutschen Küche jetzt als vegane Varianten! Angelique Vochezer und Sascha Kern. © 2022 Allegria in der Ullsteinbuchverlage GmbH, Berlin

Habt ihr alle Rezepte untergebracht, die ihr wolltet, oder dürfen wir uns auf ein zweites Kochbuch freuen?

Vorstellen könnte ich es mir auf jeden Fall, aber jetzt brauche ich erst mal etwas Pause, haha. Es war richtig viel Arbeit, wir saßen über ein Jahr am Buch. Donnerstag bis Samstag haben wir jede Woche gekocht, fotografiert und ausprobiert. Wir haben zuerst die Rezepte festgelegt und dann nach Plan nacheinander abgearbeitet. Klar gibt es da Rezepte, die uns während des Prozesses eingefallen sind. Da haben wir noch einiges in petto. Wir könnten auf jeden Fall ein weiteres füllen.

Oft hat ein Gericht nicht geklappt und wir mussten des noch einmal machen. Meine Omi und ich kochen oft frei Schnauze, über Mengen- oder Zeitangaben macht man sich da wenig Gedanken. Der Verlag brauchte natürlich fixe Angaben, das stellte uns vor ganz neue Herausforderungen und war ein richtiger Lernprozess. Oma steht mal eben eine Stunde in der Küche, ein Kochneuling geht da ganz anders heran und braucht vielleicht viel länger. Neben meinem Vollzeitjob und unserem Onlineshop war das nicht immer leicht, alles unter einen Hut zu bekommen. Übrigens war ich in der Zeit so oft zu Hause wie lange nicht mehr. Vor allem die ausgiebige Zeit mit Omi war echt wertvoll. Ein zweites Buch würde sich also lohnen 🙂

Denkst du, dass euer Buch vielen hilft, sich selbst gegenüber der Familie zu öffnen, wenn man vegan leben möchte?

Das war eines der Dinge, die ich mit ins Buch bringen wollte. Familien an die Hand nehmen und ihnen sagen: Habt Geduld, habt keine Angst, dass es dem Kind an etwas fehlt, nur weil es vegan lebt. Ich habe das im Buch von der Pike auf erklärt, ohne Vorurteile, ohne zu belehren. Viel mehr wollte ich damit sagen, dass man sich Zeit nehmen sollte. Ganz oft ist es ja das Vorurteil eines Veganers, dass sie ganz extrem sind. Das stimmt auch teilweise, dass dir so jemand sagt, es gibt nur einen Weg und du darfst dies und das nicht. So wollte ich nicht sein. Einem Menschen immer zu sagen, er macht alles falsch, wird ihn nicht inspirieren. Veränderung muss nicht von 0 auf 100 passieren. Lieber ganz ohne Druck und ohne sich etwas zu verbieten. Sobald der Spaß verloren geht, bringt es ja nichts.

So langsam war deine Umstellung aber nicht.

Tatsächlich war es bei mir von 0 auf 100. Ich hatte schlimme Migräne, war bei vielen Ärzten, habe Akupunktur probiert, aber nichts hat geholfen. In einem Artikel las ich dann, dass vegane Ernährung Kopfschmerzen lindern sollte. Also probierte ich es aus. Ist man einmal drin, schaut man sich natürlich auch viele Dokumentationen an. Da war für mich klar, egal wie das mit den Migränen weitergeht, ich will nicht mehr zurück zur früheren Ernährung. Auch ich hatte Angst vor Mangelerscheinungen, schließlich war es vor sieben Jahren ein doch noch recht stiefmütterliches Thema. Gesundheitlich ging es mir aber super. Ganz weg ist die Migräne zwar nicht, aber sie ist anders. Davor brauchte ich in einer Woche eine ganze Packung Aspirin gegen die Schmerzen, musste Vorhänge zuziehen, Licht ausschalten, weil es einfach nur wehtat. Jetzt habe ich es vielleicht einmal in drei Monaten. Die Lebensqualität, die ich dadurch gewonnen habe, ist einmalig.

Angelique hat ein veganes Kochbuch geschrieben und postet auf Instagram Reise-Content
Auf Angeliques Instagram findest du auch Content zum Reisen in der Natur und im Van. Angelique Vochezer und Sascha Kern. © 2022 Allegria in der Ullsteinbuchverlage GmbH, Berlin

Was beeinflusst dich im Alltag und deinem Handeln am meisten?

In der Welt dreht sich alles um Konsum, wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Umso schöner ist es, sich mit dem eigenen Handeln davon abgrenzen zu können und etwas dagegen zu tun. Ich trage dazu bei, dass ich andere Menschen inspirieren kann. Mich persönlich beeinflusst die Natur ganz stark. Gerade wenn man viel draußen ist und mit der Natur lebt, merkt man, wie wenig man tatsächlich braucht, um glücklich zu sein. Es ist das Gegenteil, was einem vorgegaukelt wird. Ich mag es einfach bewusster zu leben, für die Tiere und mit der Umwelt.

Du teilst deinen Alltag über Instagram, bist dabei ein sehr positiver Mensch. Was machst du in Momenten, in denen es dir nicht so gut geht?

Damit gehe ich offen um. Das macht es authentisch. Zu leben heißt nicht nur Highlife. Jeder hat schlechte Tage. Umso wichtiger finde ich es mitzugeben, dass man sich auch an kleinen Dingen erfreuen kann, ein Sonnenaufgang, frische Luft draußen zu spüren und zu atmen, kleine Tiere in der Wiese beobachten oder sich im Wald erden. Vieles sieht auf Social Media schöner aus, als es ist. Wie oft denke ich mir: Der hat aber ein schönes Haus, die Familie sieht so glücklich aus oder das ist ja ein harmonisches Paar. Ganz ehrlich: Niemand würde ein Foto reinstellen, das einem selbst nicht gefällt oder Storys machen, wenn man sich gerade mit dem Partner streitet. Gerade deshalb ist es wichtig, die andere Seite zu zeigen, wenn es einem nicht so gut geht. Das gehört zum Leben dazu und es kommen wieder bessere Zeiten. Alle haben zu kämpfen, das ist das Leben.

Mehr von Angelique erfährst du auf ihrem Instagram-Kanal:

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