Im Nachtzug reisen: Mit dem EuroNight von Berlin nach Budapest

Mit dem Nachtzug vereisen statt mit dem Flugzeug: Julia von nicetohavemag.de hat es ausprobiert und teilt ihre Erfahrungen und ihre wichtigsten Reise-Tipps.

Ein verlängertes Wochenende in der Ferne unter Freundinnen steht bevor. Eine Junggesellin wird bald heiraten und statt mit Bauchladen-Verkauf wird die Braut in spe mit einem Kurztrip nach Budapest überrascht. Ich freue mich auf die ungarische Hauptstadt, aber bei der Reiseplanung meldet sich mein Umweltgewissen: Zwei Flüge für einen so kurzen Aufenthalt? Das geht eigentlich gar nicht mit meinen Bemühungen um Nachhaltigkeit einher.

Angekommen in Budapest: Nach etwa 14 Stunden rollt der EuroNight in seiner Endhaltestelle ein. © Julia-Maria Blesin

Auf Schienen nachhaltig in die Ferne

Schon lange möchte ich die Reise mit dem Nachtzug ausprobieren und als zwei weitere Frauen aus unserer Reisegruppe Interesse bekunden, steht schnell fest: Von Berlin nach Budapest fahren wir gemeinsam im Schlafwagen. Auf den etwa 1.000 Kilometern Wegstrecke zwischen meinem Zuhause und dem Reiseziel spare ich so gegenüber einem Flug rund 120 Kilogramm klimaschädliches Kohlenstoffdioxid ein. Im Flugzeug würde ich je Strecke rund 200 Kilogramm CO2 Emissionen bzw. CO2 Äquivalente verursachen; mit dem Zug gerade einmal 80 Kilogramm.

Und weil ich meine Rückfahrt über die Webseite der Ungarischen Staatsbahnen buche, ist die An- und Abreise auf Schienen gegenüber dem Flugzeug insgesamt nicht teurer. 50 Euro kostet die Rückfahrt, die ich tagsüber mit österreichischen und deutschen Schnellzügen bestreiten werde – zuzüglich 4,50 Euro Reservierungsgebühr über die DB Navigator App. Für die Hinfahrt bezahle ich 96 Euro. Der deftige Aufschlag bei der Schalterbuchung garantiert uns, dass wir in einem Abteil platziert werden. Günstiger bucht man jedoch online ab 69 Euro im Schlafwagen.

Über-Nacht-Reise Hacks

  1. Preisvergleich: Über Thetrainline.com findet man verschiedene Verbindungsoptionen und Anbieter für Fernzüge sowie -busse. Der Vergleich mit Buchungsportalen der Bahngesellschaften des Ziellandes kann ebenso lohnen, wie die Recherche über die Webseite Seat61.com.
  2. Saubere Träume: Ein Schlafsack aus Seide* oder Leinen ist leicht und nimmt minimalen Platz im Reisegepäck ein, ist ein Stück Eigenes im fremden Bett und schützt vor Bettwanzen.
  3. Gesichertes Gepäck: Die Rucksäcke und Taschen von Pascafe* sind schnittfest und können mit einem Schloss gesichert werden.
  4. Belesen: Vorfreude schafft der Reisebildband „Nachtzugreisen: Die schönsten Strecken Europas“* (Conbook, 24,95 Euro). Tipps und Tricks für die Planung und Reise mit dem Zug sowie weiteren alternativen Verkehrsmitteln zum Flugzeug finden sich im Ratgeber „Green Travelling – Einfach nachhaltig reisen“* (Oekom, 17 Euro).
  5. Statt Zug: Die Ökobilanz des Fernbusses entspricht etwa der des Zugs und die Fahrt ist deutlich günstiger – auch bei kurzfristiger Buchung!

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Nachtzug Essen mitgenommen
Selbstverpflegung: Weil es an Bord des EuroNight kein Bistro gibt, habe ich selbst Snacks mitgebracht. © Julia-Maria Blesin

EuroNight: Der erste Eindruck

Zum Startbahnhof in Berlins Ostens breche ich am frühen Nachmittag aus Hannover mit dem ICE auf. Zwar bin ich Zug-Optimistin, während andere auf die Bahn schimpfen. Verspätungen der Bahn plane ich jedoch genauso ein, wie bei einer Autofahrt einen Stau. Sicherheitshalber bin ich also mit etwas Vorlauf in Lichtenberg und treffe dort noch spontan meine Großeltern auf eine Brause, bevor der EuroNight um kurz vor 19 Uhr einfährt.

Der Zug ist ein buntes Potpourri von Waggons verschiedener Bahngesellschaften, denn er wird mehrfach geteilt. Die Nightjet Abteile der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) setzen sich zum Beispiel auf Strecke nach Wien ab.

Frühstück bei Rajka: Die Verpflegung am Morgen ist im Ticketpreis inklusive. © Julia-Maria Blesin

Während diese Abteile einen sehr modernen Eindruck machen, erwartet mich in den Waggons des ungarischen Anbieters ein etwas verblasster Charme. Das Abteil mit den drei Schlafkojen ist eng und wir sind froh, dass jede nur leichtes Gepäck und wir damit mehr Platz zum Bewegen haben. Das, was mir aber in den kommenden Stunden am wichtigsten ist, stimmt zufrieden: Die Betten sind frisch bezogen und laden mit einem Panorama-Blick auf die vorbeiziehende Landschaft zum Entspannen ein.

Gut zu wissen: Die EuroNight-Züge (EN) werden von den jeweiligen Partnerbahnen aus Tschechien, Ungarn und Kroatien bereitgestellt. Diese bestimmen auch die Komfortklassen und die Serviceleistungen.

Vier Länder-Fahrt über Nacht

Während brandenburgische Kiefernwälder vorbeiziehen, treffe ich meine Frühstücksauswahl. Weißbrot, süße und herzhafte Beläge, Müsliriegel, Kaffee, Säfte und Tee – bis zu sieben Kreuzchen sind im Fahrpreis inbegriffen. Für die Verpflegung am Abend haben wir mit gemeinsam vorgesorgt, denn ein Bordbistro gibt es nicht.

In unserem Abteil wird wirklich jeder Quadratzentimeter multifunktional und bestmöglich genutzt. So finde ich das Waschbecken erst nach einigem Suchen unter einer Ablagefläche. Wir passieren schon das polnische Breslau, als ich mir die Zähne putze.

Nachtzug Reise ausgeruht im Bett liegen
Selfie am Morgen: Noch nicht ausgeschlafen, aber ausgeruht allemal! © Julia-Maria Blesin

In der mittleren Koje rolle ich meinen Leinenschlafsack aus. Den habe ich schon in den Herbergen auf dem spanischen Jakobsweg genutzt, wo er mich vor Krabbeltieren in stark frequentierten Schlafstätten geschützt hat. Sicher ist sicher! Das Ruckeln und Rattern finde ich so beruhigend, dass ich bald eingeschlafen bin. Hält der Zug, wache ich auf. Neugierde über den Grund und Ort des Stopps halten mich dann für einige Zeit wach. So verpasse ich immerhin nicht den Sonnenaufgang, der sich mit einem roten Glimmen am wolkigen Himmel zeigt.

Kurz nach dem Dreiländerdreieck von Slowakei, Tschechien und Österreich wird von der Zugbegleiterin das Frühstück gebracht. Damit erklären wir die Nacht für beendet und klappen das mittlere Bett ein und das untere hoch. Nach wenigen Handgriffen können wir uns bequem setzen und essen. Einpacken, frisch machen und anziehen beschäftigt uns eine Weile und als ich wieder rausschaue wechselt urbane Landschaft die weiten Felder vor dem Zugfenster ab.

Mit etwa einer Stunde Verspätung, die ich gar nicht so recht bemerkt habe, rollen wir in den imposanten Kopfbahnhof Keleti in Budapests Osten ein. Auf geht es, Königin der Donau – ausgeruht und mit einem geringen ökologischen Fußabdruck!

Mit dem Nachtzug reisen: Frau mit Reiserucksack am Bahnsteig, im Hintergrund ein Zug
Schwerstarbeit: Ein letzter Blick auf die Lok, die uns Schlafende gezogen hat. © Julia-Maria Blesin

Mehr als umweltfreundlich – Vorteile des Fernreisens mit dem Zug

  • Mehr Platz: Keine engen Sitze, wie im Flugzeug und während der Reise kannst du dir die Beine vertreten.
  • Weniger warten: Keine Sicherheitskontrollen, Gepäckausgabe und Boarding-Schlangen – ist der Zug pünktlich, steigst du ein und los geht es.
  • Schneller am Ziel: Ist der Flughafen weit außerhalb der zu bereisenden Stadt gelegen, kann die Reise sogar kürzer oder zumindest ähnlich lang sein. Du startest und endest meist in der Innenstadt und Transferzeiten entfallen. Beispiel: ICE oder Thalys und EuroStar (ab Brüssel) bringen dich ebenso in etwa fünf Stunden nach London, wie eine Billig-Airline nach Stansted mit anschließender Busfahrt.
  • Flexibilität: Ein Flex-Ticket lässt dir immer eine Hintertür offen. Etwa, um an einem Umsteigebahnhof länger zu verweilen. Gefällt dir der reservierte Sitz partout nicht, hast du Ausweichoptionen (z. B. ins Bord-Bistro – lecker!).
  • Weg als Ziel: Den Wechsel von Landschaft und Leuten bekommst du auf der Zugreise ganz nah mit. Mit den zusteigenden Passagieren ändert sich die Sprache und du erreichst das Reiseziel eingestimmt auf Land und Menschen.

Du willst mehr erfahren über nachhaltiges Reisen? Kennst du schon Ökotourismus?