Minimalismus zuhause: Mit Ausmisten zu mehr Lebensqualität

Weniger ist mehr – mehr Raum und Zeit für dich. Das steckt hinter der Idee von Minimalismus. Ausmisten ist der erste Schritt und schenkt mehr Lebensqualität.

Unbestritten besitzen wir alle mehr Dinge, als wir brauchen. Aber wie viele Dinge besitzen wir wirklich? Eine belgische Künstlerin fotografierte ihren kompletten Haushalt. Heraus kam eine Fotoserie mit 10.532 Bildern von 10.532 Gegenständen. So viele Dinge besitzt laut Schätzungen jeder Europäer im Schnitt (eine offizielle Statistik gibt es nicht). Davon nutzen wir etliche Dinge so gut wie nie. Eine Bohrmaschine zum Beispiel ist in 15 Jahren durchschnittlich nur 45 Minuten in Gebrauch. Die meiste Zeit liegt sie demnach unnütz rum.

Bei all den Sachen haben wir längst den Überblick verloren. Und wir kaufen weiter Dinge, die wir schon haben, oft nicht brauchen, die Platz wegnehmen und uns am Ende Zeit stehlen. Was viele Menschen nicht wissen: Weniger Besitz steigert die Lebensqualität.

Sofa-Chaos: Jede Menge unnütze Gegenstände liegen auf einem Sofa
Wir alle besitzen mehr Dinge als wir brauchen. © Zarya Maxim – adobestock.com

Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?

Laut eingen Minimalismus-Ratgebern ist 100 anscheinend die magische Zahl des einfachen Lebens. Um glücklich zu sein, brauche ein Mensch im Grunde nur 100 Dinge. Aber auch wenn ich persönlich ein minimalistisches Leben anstrebe, möchte ich nicht unbedingt meinen Besitz so radikal reduzieren. Einige Dinge, die ich nicht unbedingt brauche, will ich nicht missen: wie das alte, angeschlagene Sparschwein, in das meine Oma immer ein paar Münzen steckte, die ich kurz danach mithilfe eines Messers aus dem Schlitz fischte.

Aber das muss ja auch nicht sein. Ich denke, es kommt weniger auf die Anzahl der Gegenstände an, als auf die bewusste Entscheidung für Dinge, die du in deinem Leben haben willst. Dabei finde ich das Prinzip des Minimalisten Joshua Fields Millburn hilfreich:

„Jeder Besitz sollte mir Nutzen oder Freude bringen.“

Joshua Fields Millburn, Autor und Filmemacher (Minimalism, 2016)

Wer seine Besitztümer auf dieses Prinzip hin prüft, kann mit dem Ausmisten beginnen. Und das tut richtig gut!

Korbmethode: Ausmisten für Anfänger

Ausmisten? Aber wo und wie anfangen? Das fragen sich viele und sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht. Am besten man beginnt mit einem kleinen „Projekt“. Das bringt ein Erfolgserlebnis und motiviert für mehr. Der Kleiderschrank ist zum Beispiel ein guter Start. Am besten eignet sich die sogenannte Wäschekorbmethode. Nimm dafür zwei Körbe oder Kisten: Korb A für Dinge, die du sofort ausmistet, Korb B für die Bewährungsprobe auf Zeit. Und so geht´s:

  1. Betrachte jedes Kleidungsstück und frage dich:
  2. Gefällt mir das Teil noch? Nein? – dann rein in Korb A
  3. Passt mir das Teil noch (in Zukunft)? Nein – rein in Korb A
  4. Habe ich das Teil in den letzten 13 Monaten getragen? Nein – Korb A
  5. Habe ich das Teil in den letzten 12 Monaten getragen? Nein – dann in Korb B

Der Inhalt von Korb A wird ein für alle Mal ausgemistet. Korb B kommt außer Sichtweite, am besten in einen Koffer, in den Keller oder auf den Dachboden. Wenn du die Sachen in den nächsten 6 Monaten nicht vermisst, dann kommen sie nicht mehr in den Schrank. Natürlich kannst du die Wartezeit auch verkürzen.

Frau sortiert Kleider aus
Ausmisten: Passt das noch oder kann das weg? © StockPhotoPro – adobestock.com

Wegwerfen muss aber nicht unbedingt sein, außer die Sachen sind fleckig oder kaputt. Aus alten Socken kannst du zum Beispiel einen Schwamm basteln. Alternativen zum Mülleimer sind zudem Kleidersammlung, Flohmarkt, 2nd-Hand-Läden, Kleidertausch-Plattformen oder -Partys.

Ausmisten: So geht’s weiter

Die Korbmethode funktioniert im Grunde überall zuhause. Zum Beispiel, wenn du dein Bad oder deine Küche ausmisten möchtest. Gerade im Bad sammeln sich gerne viele Fläschchen, Tiegel und Tuben diverser Pflegeprodukte an, die man gar nicht mehr verwendet. Die stehen einem gern mal im Weg um, wenn man nach der passenden Salbe sucht. Die meisten Kosmetikprodukte sind ohnehin nur 12 Monate haltbar. Die Haltbarkeit findest du meist am Tiegelboden. Eine Zahl und ein „M“ für Monat zeigen an, wie lange ein Beauty-Produkt nach der Öffnung noch haltbar ist (6M = 6 Monate).

Prüfe, wie alt das Produkt ist und frage dich, wie oft du es in den letzten 3 Monaten verwendet hast. Alles, was du in dieser Zeit nicht verwendet hast, kann im Prinzip weg. Aber auch hier muss man nicht immer alles gleich wegwerfen: Duschgel und Shampoo, das dir nicht gefällt, kannst du zum Beispiel in einer Flasche sammeln und als Flüssig-Handseife verbrauchen. Noch haltbare Kosmetikprodukte kannst du auch spenden, zum Beispiel an ein Frauenhaus in deiner Nähe.

Ausmisten: Aussortierte Gegenstände auf einem Flohmarkt-Stand
Aussortierte Kleider kann man auf einem Flohmarkt zu Geld machen. © ArtSys – stock.adobe.com

Minimalismus: One-in-one-out-Regel

Arbeite dich nach und nach, Raum für Raum weiter. Das muss nicht alles an einem Tag passieren. Überlege, wo deine größten Gerümpel-Hotspots liegen und arbeite diese zuerst ab. Freue dich bewusst nach jeder noch so kleinen Ausmistaktion und feiere den neu gewonnenen Raum. Nimm den neu gewonnenen Raum zum Anlass, bewusster zu konsumieren und den wertvollen Platz, die Zeit und das Geld nicht wieder unnötig zu verschwenden.

Zum Beispiel kannst du die One-in-one-out-Regel anwenden: Es darf nur ein neues Teil einziehen, wenn dafür ein anderes gehen muss. Beim Kleider-Shopping zum Beispiel solltest du dich fragen: Habe ich bereits ein ähnliches Teil und brauche ich noch eins davon? Welches Teil muss dafür gehen? Passt es zu den anderen Teilen meiner Garderobe?

Sharing Economy: Teilen statt kaufen

Nicht alle Dinge muss man neu kaufen. Vieles steht die meiste Zeit nur herum wie die oben genannte Bohrmaschine. Man kann einfach leihen statt kaufen. Das spart nicht nur Geld und Platz, sondern verkleinert auch den CO2-Fußabdruck. Für Bücher gibt es fast in jeder Stadt Bücherschränke. Aber auch Werkzeuge, Haushaltsgeräte und andere Gegenstände, die man nur kurze Zeit braucht, kann man mieten oder leihen. Baumärkte bieten oft einen Mietservice für Werkzeug. Oder man tauscht sich mit den Nachbarn aus und teilt sich Geräte. Auf der Plattform meinespielzeugkiste.de können Eltern Spielzeug mieten, denn gerade Kinderzimmer quillen oft über vor lauter unbenutztem Spielzeug.

Minimalismus: Besser Schenken

Geschenke sollen Freude machen. Was jedoch für die einen ein willkommenes Geschenk ist, ist für den anderen Krempel. Jeder kennt das: Eine Vase, ein Bildband, ein lustiger Dosenöffner – am Ende eines Geburtstags hat man allerlei Kram, den man nicht braucht. Im Grunde ist es nicht mehr zeitgemäß, ohne ausdrücklichen Wunsch des Beschenkten, Sachgeschenke zu machen, auch aus ressourcen- und umweltschonender Sicht.

Denn ein falsches Geschenk verbraucht nicht nur unnötig Zeit und Geld, sondern landet leider irgendwann auf dem Müll. Besser man schenkt Zeit wie einen Theater- oder Kino-Gutschein oder verzehrbare Dinge wie einen leckeren Schokokuchen. Um am Ende nicht mehr Krempel zu haben, sage deinen Geburtstagsgästen, dass du keine Sachgeschenke möchtest. Alternativ kann man auch spenden statt schenken.

Die Dinge, die du besitzt, werden dich irgendwann besitzen.

Joshua Fields Millburn

Wer weniger konsumiert und öfter ausmistet, ist zufriedener. Zumindest hat das eine Meta-Studie der University North Texas festgestellt. Mehr als 80 Prozent aller Untersuchungen konnten eine positive Verbindung zwischen eine minimalistischen Lebensstil und mehr Wohlbefinden nachweisen. Das belegten sowohl zahlenbasierte wie auch qualitative Studien wie zum Beispiel Interviews. Also ran ans Ausmisten!