Der Mond im Januar: Die Zahlenmagie des Mondes

Zum Jahreswechsel wird viel orakelt. Die einen befragen die Gummibärchen, die anderen die Sterne über die Zukunft. Auch die Heiligen Drei Könige waren eigentlich Sterndeuter. Ihre Vorhersagen entschieden über das Leben eines ganzen Volkes. Eines ihrer wichtigsten Werkzeuge? Der Mond!

Ein Orakel gehört einfach zur Silvester-Nacht. Ich weiß nicht, welche eure Favoriten sind: ob Kartenziehen, Würfeln oder Wachsgießen (die umweltfreundliche Alternative zum Bleigießen)? Ich muss gestehen, ich liebe das Gummibärchen-Orakel! Man findet immer einen Dreh, wie die Prognose der fünf Bärchen-Farben zur Person passt – und obendrein ein wunderbares Gesprächsthema.

Was ich auch immer spannend finde, sind die Prognosen der Astrologen zum Weltgeschehen. Ob ich ihnen trauen soll oder nicht, da bin ich meistens skeptisch. Wahrscheinlich blitzt dafür zu viel wissenschaftliches Elternerbe durch meine Gehirnwindungen … Dieses Erbe erinnert mich an das, was der eigentliche Job der Sterndeuter vor 2000 Jahren war: Sie sagten den Herrschern, wann es eine gute Zeit zum Säen und Ernten gab, oder wann man sich wappnen musste für harte Zeiten, in denen die Nahrung knapp war. All das lasen sie aus den Sternen.

Mond im Januar: Orakel für das neue Jahr mit Wachs gießen
Was das neue Jahr wohl bringt? Viele versuchen es mit einem Wachs-Orakel herauszufinden. © Olaf Gedanitz – stock.adobe.com

Für uns ist der Kalender heute kein Hexenwerk mehr. Wir blättern einfach weiter. Und wenn wir nicht sicher sind, ob heute der 15. oder schon der 16. des Monats ist, schauen wir auf unser Smartphone. Wer wissen will, wie lang ein Jahr dauert, schaut ins Internet und findet da die exakte Angabe von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden. Dort steht auch, welches Jahr ein Schaltjahr sein wird.

Der Mond ist dran schuld, dass die Stunde 60 Minuten hat

Früher musste man dazu in die Sterne schauen. Sonne, Mond und die Planeten waren die Zeiger der Himmelsuhr, die zugleich ein Kalender war. Die Sternbilder waren das Zifferblatt. Wie lang ein Jahr nun genau dauert, darin waren sich die Sterngucker allerdings nicht immer einig. Für die Kelten dauerte es mal zwölf, mal 13 Mondphasen-Zyklen. Bei den Sumerern bildeten erst 60 Mondphasenzyklen (also knapp fünf Sonnenjahre) eine Einheit; die 60 war bei ihnen eine heilige Zahl.

Warum ausgerechnet die 60? Vermutlich verschmelzen in dieser Zahl zwei uralte Rechensysteme: Diejenigen, die vorzugsweise mit den Fingern rechneten, hielten die Zahlen Fünf und Zehn für das absolute Maß aller Dinge. Die Sumerer hingegen benutzten das Duodezimalsystem, bei dem alles auf der Zahl Zwölf beruhte; ausgehend von den zwölf Mondphasenzyklen eines Sonnenjahres. Die fünf Finger mal zwölf genommen ergibt … genau, 60. Nicht nur die zwölf Monate, auch unser Zeitmaß für die Minuten und Sekunden geht also auf den Mond zurück!

Überhaupt stand bei den Sumerern – wie auch bei vielen anderen arabischen Kulturen – der Mond an erster Stelle. Die Sonne war für sie zweitrangig, denn so nahe am Äquator schwankt ihre tägliche Himmelsbahn nur minimal. Der Mond war mit seiner regelmäßig wechselnden Gestalt viel praktischer, um die Zeit abzulesen: sein Wechsel beispielsweise von voll auf halb entspricht einer Woche, ein ganzer Mondphasenzyklus entspricht 29,5 Tagen, zwölf davon (plus zwölf Nächte) ungefähr einem Sonnenjahr. So wurde der Mond in der orientalischen Welt das Maß aller Dinge – unter anderem auch das Vorbild für das Duodezimal-Rechensystem der Sumerer.

Das geheime Wissen der Druiden um Sonne und Mond

So schlau die Gelehrten der alten Hochkulturen Babyloniens, Ägyptens oder Griechenlands auch waren, eines bereitete ihnen Kopfzerbrechen: die exakte Berechnung der Dauer eines Sonnenjahres. Rechneten sie ihren Kalender nach den Mondjahren, dauerte das Jahr nur 354 Tage. Das wollte aber nicht zu den Fluten passen, die sich regelmäßig aus dem Norden über die Flussdeltas ergossen. Mal fiel diese Zeit auf den sechsten Mond-Monat, im nächsten Jahr schon auf den fünften und im übernächsten Jahr kam die Flut einen weiteren Monat früher.

Dass diese Regelmäßigkeit mit dem Lauf der Sonne zusammenhängt, war ihnen klar. Sie versuchten es mit dem Stand der Sonne vor den Sternbildern. Doch immer fehlte ihnen beim Messen und Beobachten etwas zu einem exakten Ergebnis.

Dazu brauchten sie erst das Wissen eines Volkes, das nicht wirklich eine Einheit bildete, deren Angehörige als Barbaren galten und das außerdem nie zu den Hochkulturen dieser Erde zählte: die Kelten. Ihre astronomischen Kenntnisse gehörten damals wohl zu den bestgehüteten Geheimnissen der Welt. Dass die Druiden es waren, von denen alle anderen Gelehrten sich etwas abschauten, davon zeugt auch eine Episode in der griechischen Mythologie: Leto, Geliebte des Zeus und Mutter der Zwillinge Apollon und Artemis, war ursprünglich eine Britannierin. Alle 19 Jahre musste Apollon, der Sonnengott der Griechen, die Heimat seiner Mutter besuchen und dort die Sonnenzeit neu einstellen. 19 Jahre (genauer 18,6 Jahre), das ist der Meton‘sche Zyklus und genau die Zeitspanne, nach der sich Sonnen- und Mondkalender wieder decken.

Der Meton‘sche Zyklus

Mach die Probe aufs Exempel: Schau in einem Mondkalender nach, in welchem Zeichen der Mond zu deiner Geburt stand. Anschließend schaust du, in welchem Zeichen er zu deinem 19. Geburtstag stand. Es erscheint beide Male dasselbe Zeichen und dieselbe Mondphase? Muss so sein, denn das ist der Meton‘sche Zyklus! Ob die Politiker in den 1970ern sich an diesen Zyklus anlehnten, als sie die Volljährigkeit mit 18 beschlossen? Wohl eher nicht, auch wenn das eine hübsche Mond-Geschichte wäre.

Seinen Namen hat der Meton‘sche Zyklus zwar von einem Griechen, der ihn angeblich entdeckt hat. Doch das Wissen um diesen Zyklus stammt aus einer anderen Welt: aus dem hohen Norden, genauer aus Britannien. Dort, wo heute der Nullmeridian der Zeitzonen durchläuft, begann die Geschichte der exakten Vermessung der Zeit. 130 Kilometer westlich von Greenwich liegt Stonehenge, ein riesiger Steinkreis, der vor ungefähr 4500 Jahren entstand, mehrfach erweitert und noch in der Zeit nach Christi Geburt benutzt wurde. Mit seiner Hilfe berechneten die Druiden die Sonnwenden und damit die Länge eines Sonnenjahres, ebenso wie sie Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen konnten, und das sogar für 300 Jahre im Voraus.

Mond im Januar: Mond über Stonehenge
Der Mond steht über Stonehenge. © IMAGO / Danita Delimont

Der Anfang aller Kalender

Warum ausgerechnet die Zauberer des Nordens dieses Wissen hüteten? Ganz einfach: Hier schwankt die Höhe der Sonnenbahn sehr viel stärker als in Ländern nahe dem Äquator. Außerdem hätten die Menschen hier ohne dieses Wissen kaum überlebt! Die Winter, die regelmäßig alles pflanzliche Leben unter einer dicken Schnee- und Eisschicht begruben, bedeuteten für die Schwachen und Kranken den Tod. Die Menschen im Süden bekamen von den Jahreszeiten lediglich wiederkehrende Überschwemmungen mit.

Egal ob Überschwemmungen oder Eiseskälte: Ausnahmslos alle Völker versuchten, den Zyklen der Natur irgendwie auf die Spur zu kommen. Denn wer vorhersagen konnte, wann der Winter, wann die Sintflut vorbei sein und die Natur anschließend in voller Blüte erwachen würde, der hatte einen entscheidenden Vorteil. Derartige Prognosen waren die ursprüngliche Aufgabe von Sterndeutern und Weissagern. Und sie waren der Anfang aller Kalender.

Tipps zum Beobachten vom Mond im Januar

Nicht nur die Sonne kommt der Erde Anfang Januar so nahe wie sonst nie im Jahr. Auch der Mond erreicht in diesem Jahr zufällig genau dann den erdnächsten Punkt seiner monatlichen Umlaufbahn. Sehen kann man diesen Supermond leider nicht, denn nicht mal 24 Stunden später ist Neumond. Mondfühlige spüren ihn vielleicht dennoch, denn je näher der Mond uns kommt, desto stärker wirken seine Gravitationskräfte. Ziehen die auch noch mit der Sonne an einem Strang – wie immer zu Neumond –, reagiert zumindest die Natur deutlich darauf: mit Springfluten beispielsweise, aber auch mit einem etwas erhöhten Erdbebenrisiko, da der Mond sogar das Festland um bis zu 40 Zentimeter anhebt.

Von 4. auf 5. Januar gibt es dann wieder ein sichtbares Spektakel am Nachthimmel: Kurz nachdem die hauchfeine Mondsichel im Südwesten untergegangen ist, lässt der Quadrantiden-Meteorschauer Sternschnuppen regnen. Praktisch für all diejenigen, die von der Silvesternacht noch ein paar Wünsche übrig haben!

Wissenswertes zum Silvester-Orakel:

Wer zum Jahreswechsel gern mit Zahlen orakelt, wird erstaunt sein, hinter wie vielen magischen Zahlen sich der Mond versteckt. Hier ein paar Kostproben:

  • 4 = die vier klar erkennbaren Stadien des Mondphasenzyklus (Neumond, zunehmender Halbmond, Vollmond, abnehmender Halbmond)
  • 7 = ein Viertel des Mondphasenzyklus bildete die Grundlage für die sieben Wochentage
  • 12 = die zwölf Monate, die auf die zwölf Mondphasen-Zyklen eines Sonnenjahres (plus 12 Nächte) zurückgehen
  • 13 = Glücks- oder Unglückszahl; der 13. Mondzyklus bleibt innerhalb eines Sonnenjahres immer nur halb
  • 30 = ein Mondphasenzyklus hat aufgerundet 30 Tage
  • 60 = fünf mal zwölf; die Fünf stammt vom Zählsystem nach den Fingern einer Hand, die Zwölf siehe oben

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