Kulturgut samenfestes Saatgut oder warum die Saat über Vielfalt und Geschmack entscheidet

Ich muss zugeben, bis vor ein paar Wochen habe ich zwar schon davon gehört, aber mich nie näher mit dem Thema samenfestes Saatgut auseinandergesetzt. Wir haben keinen Garten, keinen Balkon und mein grüner Daumen hält sich auch in Grenzen. Das Einzige was bei mir immer wächst ist Kresse. Und jetzt weiß ich: Das Tütchen enthält (zugegeben zufälligerweise) sogar samenfestes Saatgut.

Seit tausenden Jahren nutzen Menschen Saatgut, um Pflanzen anzubauen, von denen wir uns ernähren. Aus jeder Pflanzengeneration werden Samen gewonnen und für eine weitere Population erneut ausgesät. Die Sorten werden meist durch Wind oder Bienen bestäubt. Durch traditionelle Kreuzungsverfahren können Züchter diesen Kreislauf des Lebens aber auch beeinflussen und das ohne manipulativ in die Genetik der Pflanzen einzugreifen. Somit entsteht kunterbuntes Erbgut oder auch eine natürliche Sortenvielfalt und wir können den natürlichen Kreislauf des Lebens hierbei genau beobachten.

Samenfestes Saatgut ist ein Kulturgut

Samenfeste Gemüse- und Nutzpflanzen erzeugen also ein vollwertiges Saatgut, das immer wieder ausgesät werden kann. Außerdem kommt es ohne den Einsatz von Stickstoffdünger und Pflanzenschutzgiften aus. Deshalb stehen samenfeste Sorten für Vielfalt, Freiheit und Geschmack und sind ein wichtiges Kulturgut, das geschützt werden muss.

Darüber informiert seit vielen Jahren Kultursaat e.V.. Der Verein setzt sich aus vielen Biohöfen zusammen und kämpft für den Erhalt und die Weiterentwicklung von samenfestem Saatgut.

„Samenfeste Sorten sind der Inbegriff von Vielfalt und Dauerhaftigkeit, denn sie können – im Gegensatz zu Hybriden – kontinuierlich im Strom von Anbau und Selektion erhalten, angepasst und weiterentwickelt werden. Auf diese Weise kommt Biodiversität auf den Acker und auf den Teller.“

Michael Fleck, Kultursaat e.V.
Viele bunte Karotten
So vielfältig und farbenfroh sind die alten Karottensorten ©Friedberg – stock.adobe.com

Und wo ist das Problem an Hybridsaatgut?

Häufig wird aber allerdings Hybridsaatgut verwendet. Dieses wird auch F-1 genannt. Diese Hybride entstehen aus der Kreuzung künstlich erzeugter Inzuchtlinien. Durch ihre hohe Uniformität sehen sie meist gleich aus und auch andere bestimmte Merkmale wie Größe, Form, Farbe und die Anpassung an klimatische Gegebenheiten lassen sich künstlich optimieren. So können natürlich große Ernteerfolge versprochen werden. Das macht sie für viele Abnehmer attraktiv.

Doch was ist nun das Problem mit diesem Saatgut? Es kann nicht selbst weiter vermehrt werden und sorgt dafür, dass oft ein kleines genetisches Chaos in der Folgegeneration weitergegeben wird. Die Folge ist, dass z. B. Landwirte jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen und abhängig sind von den Preisen der Anbieter.

Mittlerweile nehmen wenige große Saatgutkonzerne über 80 % der Saatgutversorgung auf der ganzen Welt ein. Dafür sind viele Dinge verantwortlich und nicht nur Hybridsaatgut trägt einen Teil bei. Zudem wird durch das Hybrid-Saatgut die Sorten- und Geschmacksvielfalt drastisch reduziert. Denn Geschmack und Inhaltsstoffe spielen nur eine untergeordnete Rolle. Besonders traurig: einige Gemüsesamen wie Kohlrabi, Brokkoli und Rettich sind fast nur noch als Hybriden auf dem Markt zu finden.

Was kannst du selbst aktiv für den Erhalt von samenfestem Saatgut tun?

  • Frage beim Gemüsekauf nach samenfesten Sorten
  • Verwende im Garten oder auf dem Balkon Saatgut von Kultursaat-Sorten
  • Spende oder werde Mitglied. www.kultursaat.org, www.saatgutfonds.de
  • Informiere Familie und Freunde über die Wichtigkeit dieses Themas
  • Unterstütze Firmen mit deinem Kauf ihrer Produkte.

Falls du nun deine eigenen Samen gewinnen möchtest, findest du hier eine Anleitung:

Tipp: Wichtig ist, dass du zur Gewinnung von eigenen Samen, z. B. Tomaten, nur wirklich ausgereifte Früchte nutzt. Außerdem sollten sie typische Sorten-Merkmale erhalten. Mit einem kleinen Tee, – oder Espressolöffel kannst du dann die Samen aus der Frucht „kratzen“ und anschließend auf ein Löschpapier geben.

Warum Löschpapier? Löschpapier saugt die Feuchtigkeit auf, ist deutlich robuster und du benötigst nur ein Blatt Papier. Im Gegensatz zu Küchenpapier. Da benötigst du auf jeden Fall mehrere Lagen. Ressourcen schonen kann manchmal so schön einfach sein.